Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Was immer auch an Pfingsten in Jerusalem geschah – es ist schwer in Worte und Bilder zu fassen. Der Evangelist Johannes schildert das Ereignis so: „Nachdem Jesus seinen Jüngern alles gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist...“ (Johannes 20,19-32).

Dieser Satz erinnert unwillkürlich an die „Mund-zu-Mund-Beatmung“ bei der Erschaffung des Menschen, als Gott Adam seinen Lebensatem einblies. Ohne den Atem Gottes, will diese Geschichte sagen, gibt es kein Leben. Dann ist Pfingsten also das Fest der „Wiederbelebung“, der Reanimation. Das muss die Ur-Gemeinde in Jerusalem tatsächlich so erfahren haben. Denn mit dem Tod Jesu am Kreuz war in den Menschen seiner Gefolgschaft fast alles Leben erloschen. Nun aber brechen sie die verschlossenen Türen auf, stürzen hinaus ins Freie und sind nicht mehr zu bremsen. Ein Hasenfuß vom Schlag eines Petrus mausert sich zum Straßenprediger. Trauer und Resignation schlagen um in eine unglaubliche Begeisterung.

„Atme in uns, Heiliger Geist“, so betet die Kirche heute an Pfingsten. Wie eine Atemspende, wie eine Sauerstoffdusche soll dieser Geist bei jenen wirken, die atemlos, gehetzt und getrieben der Erschöpfung nahe sind. Ich denke an viele Menschen in der modernen Arbeitswelt, denen unter der Überlast ihrer Arbeit der Schnaufer ausgeht. Auch an all jene, die in der Informationsflut ersticken und den „roten Faden Sinn“ in ihrem Leben verloren haben.

Atme, Heiliger Geist, in den Kranken und Geplagten, den Enttäuschten und Gebrochenen, den Einsamen und Verlassenen, dass sie wieder zum Leben kommen. Puste den Lebensmüden Lebensmut zu, dass sie sich erheben aus dem Tal der Tränen.

Atme vor allem in uns, Heiliger Geist, dass wir uns verändern und nicht Gott belästigen mit dem, was unsere eigene Aufgabe ist, nämlich Trauernde zu trösten, Mutlosen Mut zuzufächeln und Gelähmten um uns herum auf die Beine zu verhelfen. Dass wir guten Geist hineintragen in unsere Familien, in unsere zerstrittene, zerrissene Gesellschaft, in diese kriegslüsterne, verrückte Welt.
Ob das gelingt? Aus eigener Kraft schaffen wir das nie! Doch Pfingsten lässt hoffen, dass uns da etwas zuwächst, was der Apostel Paulus auch erfahren haben muss. In seiner Schwachheit spürt er, dass die Kraft Gottes in ihm lebendig wird. Gottes Kraft, so schreibt er an seine Gemeinde in Korinth, „ist in den Schwachen mächtig“ (2. Brief an die Gemeinde in Korinth, 12,9).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19881
weiterlesen...