Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manche Leute biegen einfach ab ohne zu Blinken. Das ärgert mich. Manchmal wird es dadurch sogar gefährlich.
Ich bin selbst kein guter Autofahrer, vielleicht fällt mir das deshalb besonders auf.
Mir ist auch aufgefallen, dass viele Menschen sich über solche und andere Rücksichtslosigkeiten ärgern: Über Leute, die ihren Müll einfach auf den Boden fallen lassen. Motorradfahrer, die am Sonntag mit voller Lautstärke durch die Innenstädte fahren und dabei immer schön mit dem Gas spielen. Familien, die Grillstellen verlassen als hätte ein Müllwagen dort abgeladen. Großväter, die ihre Enkelkinder in die Einfahrten von Tiefgaragen pinkeln lassen... Die Liste lässt sich sicher noch sehr stark verlängern.
Die meisten regen sich über solche Dinge auf. Ich auch.
Mir fällt dann natürlich eine Bibelstelle ein. Die so genannte ‚Goldene Regel‘: „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt“ (Matthäus 7,12).
Die Welt könnte ganz anders aussehen, wenn die anderen ein bisschen aufmerksamer wären. So denke ich und während ich das denke, weiß ich schon: Das ist ganz schön überheblich.
Denn ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich tatsächlich selbst immer so handle wie ich es von anderen gern hätte. Wahrscheinlich nicht.
Ich habe ziemlich sicher auch Leute genervt.
Ein Beispiel?
Ich bin früher manchmal viel zu lange auf der mittleren Spur der Autobahn gefahren.
Nicht langsam! Zulässige Höchstgeschwindigkeit. Ich war im Recht!
Ich wollte nur nicht ständig die Spur wechseln.
Dass ich damit vielleicht andere gefährden könnte - daran habe ich gar nicht gedacht.
Dass andere wegen Leuten wie mir ständig die Spur wechseln müssen - das hat mir einmal ein Beifahrer erklärt. Seitdem versuche ich es anders zu machen.
Klar: Nur weil ich auch Fehler mache, entschuldigt das sicher nicht alles, was andere tun.
Aber an dem, was ich selbst mache, kann ich etwas ändern. Also kann ich da auch am besten anfangen. Und ein bisschen Ärger aus der Welt räumen.
Ob mich die anderen wirklich interessieren, das zeigt sich an Kleinigkeiten.
Ich kann – das klingt jetzt ein bisschen hochtrabend, aber es ist tatsächlich so – ich kann etwas mehr Liebe in die Welt bringen, wenn ich auf das achte, was anderen gut tut.
Wenn mich die anderen interessieren, dann zeigt sich das an Kleinigkeiten.
Denn das Gegenteil von Liebe ist nicht immer Hass, sondern oft bloß Gleichgültigkeit.

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