SWR2 Wort zum Tag

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Im Neuen Testament wird erzählt, was am allerersten Pfingstfest geschehen ist: Die Jünger Jesu waren zusammen, heißt es da, als plötzlich ein Sturm das Haus erfüllte, in dem sie waren. Und der Atem Gottes kam herab auf jeden von ihnen. Der Atem Gottes? Sie sind vielleicht gewöhnt, dass hier vom Geist die Rede ist. Aber das griechische Wort für Geist ist Pneuma, und Pneuma bedeutet auch Atem. Morgen ist also das Fest des Atems Gottes, der auf die Jünger herabgekommen ist. Dazu passt ja auch der Sturm, von dem die Bibel hier erzählt. Der Atem Gottes – wenn wir Pneuma so übersetzen, wird besonders anschaulich, was gemeint ist: etwas aus Gott ist in die Menschen eingegangen, das Lebensprinzip Gottes schlechthin. Wir könnten sagen: Pfingsten ist das Fest der Mund-zu-Mund-Beatmung Gottes.

Das erinnert an eine der Schöpfungsgeschichten vom Anfang der Bibel. Die Erde war wüst und leer, und der Atem Gottes schwebte über den Wassern, heißt es da – auch in der hebräischen Sprache steht für Geist und Atem dasselbe Wort. Diesen seinen Atem bläst Gott dem neu geschaffenen Menschen ein und belebt ihn so. Der Mensch lebt durch den Atem Gottes selbst – welch ein kühner Gedanke! Diesen Gedanken nehmen die Pfingstgeschichten auf: Wir leben durch Gottes Atem. Wenn wir atmen, atmet Gott in uns. Leben und von Gott durchströmt sein ist eins.

In vielen Formen der Meditation und des Betens ist der Atem wichtig. Im bewussten, ruhigen Ein- und Ausatmen wird Verbundenheit mit Gott und mit der Schöpfung spürbar. So gibt es aus der Tradition der orthodoxen Kirchen schon seit Jahrhunderten das sogenannte Jesusgebet oder Herzensgebet. Da wird zum Beispiel immer wieder der Name Jesus Christus gesprochen, „Jesus“ beim Ausatmen, „Christus“ beim Einatmen. Mit dieser Erfahrung bekommen auch Sätze aus dem Römerbrief des Paulus einen anderen Klang. „Der Atem nimmt sich unserer Schwachheit an“, heißt es dann dort. „Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen, der Atem selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können.“ (Röm 8,26)

Heute suchen immer mehr Menschen, Christen und andere, über achtsames Fühlen und Erleben ihres Körpers einen Weg zu Gott. Das biblische Sprechen vom Geist als Atem Gottes kann hier eine Brücke sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19803
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