Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kennen Sie solche Situationen? Da erzählt jemand von sich selbst. Sie kennen die erzählende Person recht gut und staunen: Denn je länger Sie zuhören, umso unsicherer werden Sie, ob sie wirklich von sich erzählt. Sie kennen deren Fähigkeiten und Begabungen, aber so wie die Person sich darstellt, meinen Sie, einen anderen Menschen vor sich zu haben. Da werden bestimmte Fähigkeiten plötzlich riesengroß. Sie staunen und denken: „Merkwürdig, so habe ich dich noch nie erlebt.“ Sie spüren, dass hier jemand besonders „dick“ aufträgt und sich zur Schau stellt. Dies Verhalten ist zwar problematisch, aber solange sich jemand nur selbst „aufplustert“ und dies nicht auf Kosten anderer tut, kann ich es noch ertragen.
Umgekehrt könnte es auch sein, dass es anderen, die mir zuhören ebenso geht. Es ist oft nicht leicht, realistisch zu bleiben. Manchmal verfalle ich dann darauf, mich eher weniger „groß darzustellen“. Ich versuche eher, tief zu stapeln.  Ich lasse nicht all mein Können aufblitzen, denn ich finde Tiefstapelei und „Understatement“ angenehmer als Angeberei.
In der Bibel, genauer im Neuen Testament findet sich zur „vernünftigen Selbstwahrnehmung“ ein interessanter Tipp. Er lautet: „Seid bescheiden und achtet den anderen mehr als euch selbst. Denkt nicht an euren eigenen Vorteil, sondern an den der anderen“ (Phil 2,3f). Das ist eine spannende Aussage – doch vermutlich wendet sogleich jemand ein: „Bescheidenheit ist eine Zier – doch weiter kommt man ohne ihr…“ Das mag stimmen und in der alltäglichen Wahrnehmung oft so sein. Und vielleicht erscheint es manchem sogar als Torheit, nicht auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein.
Aber wer unbescheiden immer nur sich selbst ins Rampenlicht stellt, ist nicht überall wohlgelitten. Er wird gemieden, manchmal sogar verspottet. Mir zumindest sind Zeitgenossen sympathisch, die nicht ständig angeben. Ich mag Typen, die bescheiden und selbstbewusst zugleich sind. Ich mag Zeitgenossen, die etwas können und sich auskennen, aber es mir nicht unbedingt sofort auf die „Nase binden“. Vor allem jedoch können solche Zeitgenossen mich immer noch positiv überraschen! Und: Solch positive  Überraschungen liebe ich. 

 
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