Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Vor einigen Wochen haben wir einen zweiten Hund bekommen: einen Australian-Shepherd-Welpen namens Amy. Alle haben sich gefreut, als das süße Pelzknäuel bei uns ankam. Nur einer war überhaupt nicht begeistert: Unser erster Hund Heidi. Sieben Jahre lang war Heidi alleine bei uns. Sozusagen der Hahn im Hundekörbchen. Und plötzlich war da jemand, der ihr diesen Rang streitig gemacht hat. Kein Wunder, dass sie den Neuankömmling mit Grummeln und Zähne-Zeigen  auf Abstand gehalten hat.

Ich denke so ist das unter Menschen auch manchmal. Wenn jemand neues in eine Gruppe kommt, dann schauen die anderen nicht so sehr darauf, was das für ein netter Kerl ist, und welche positiven Eigenschaften er hat. Nein, es geht zuerst darum: Macht mir der Neuankömmling meinen Rang in der Gruppe streitig, und wenn ja, dann bin ich darüber nicht erfreut.

Unser alter Hund Heidi war das auch nicht. Wir haben in der Familie zwar versucht, beiden Hunden Beachtung zu schenken. Aber die kleine Amy stand doch ganz klar im Mittelpunkt. Und es hat sich schnell gezeigt, dass der Austalien-Shepherd-Welpe unserer alten Golden-Retriever-Hündin einiges voraus hat: Amy ist schneller, schlauer und mutiger - ich glaube, Heidi wäre am liebsten ausgezogen.

Aber mit der Zeit hat sich etwas verändert. Am Anfang durfte die kleine Amy der alten Heidi nicht zu nahe kommen. Inzwischen liegen die beiden oft nebeneinander. Heidi scheint das zu gefallen. Und: Die siebenjährige Hundedame hat ihren Spieltrieb wiederentdeckt. Sie tollt mit der kleinen Amy im Garten herum wie ein junger Welpe. Ich habe das Gefühl, wenn ich Heidi fragen könnte, ob Amy wieder gehen soll, dann wäre sie jetzt dafür, dass Amy bleibt.

Leider lassen sich Menschen oft nicht so viel Zeit mit einem Neuankömmling. Wenn ich das Gefühl habe, dass der Neue mir in irgendeiner Weise den Rang abläuft, dann sage ich schnell: Entweder geht er oder ich. Dabei haben Psychologen herausgefunden: Wenn eine Gruppe von Menschen neu zusammen kommt, dann gibt es immer einen Phase, in der es schwierig wird. „Storming“ nennen das die Amerikaner. Es stürmt: es gibt Konflikte und Streit. Aber wenn die Gruppenmitglieder diese Phase aushalten und sich den Konflikten stellen und sie ausdiskutieren, dann findet jeder seinen Platz und man kommt gut miteinander aus.

In einem seiner Briefe gibt der Apostel Paulus den Rat: „Ertragt einer den anderen in Liebe“ (Epheser 4,2). Ein guter Tipp, finde ich. Denn es könnte sein, dass ich den anderen dann irgendwann nicht mehr nur ertragen muss, sondern ihn sogar mag. Und der mein Leben ganz neu in Bewegung bringt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19703
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