Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Am Anfang war das „Tuhowabohu“. Mit diesem hebräischen Wort beschreibt die Bibel den Zustand der Welt, bevor Gott das Licht, die Pflanzen, die Tiere und Menschen geschaffen hat. Tohuwabohu meint das Chaos. Einen Zustand, in dem nichts geordnet ist und alles nur drunter und drüber geht. In dieser Weise taucht das Wort ja auch ab und zu in unserer Alltagssprache auf. Wer das Zimmer eines Teenagers betritt und sagt „Hier herrscht ja das reinste Tohuwabohu“, der meint: „Hier herrscht das absolute Chaos“.

Die Bibel erzählt dann: Zuerst erschafft Gott das Licht. Aber gleich als zweites setzt er dem Chaos eine Grenze. Er erschafft die Himmelskuppel. Die hält das Tohuwabohu ab. So haben sich die Alten das vorgestellt. Dadurch entsteht ein Raum, der vor dem Chaos geschützt ist und in dem sich das Leben entwickeln kann.

Mir leuchtet das ein: Leben braucht Grenzen, damit es gelingen kann. Ich denke, das gilt nicht nur für den Beginn des Lebens auf dieser Erde. Das gilt auch für jedes einzelne Menschenleben. Heute vielleicht mehr als jemals zuvor.

Die Menschen früherer Jahrhunderte hatten viele Grenzen - mehr als manchen lieb war. In dem Ort, in dem man geboren ist, ist man meistens auch gestorben. Der Beruf stand schon mit der Geburt fest: Mädchen wurden Hausfrauen, Jungs haben den Beruf des Vaters ausgeübt.

Heute ist das völlig anders. Viele dieser Grenzen gibt es nicht mehr – zum Glück, wie ich finde. Aber umso mehr muss man aufpassen, dass nicht das Chaos ins Leben einbricht. Das kann im Großen passieren: Man kann sich zum Beispiel so lange damit beschäftigen, welcher Beruf denn nun der richtige für einen ist, dass man am Ende gar nichts mehr auf die Reihe bekommt. Oder im Kleinen: Jedes Mal, wenn man den PC hochfährt, wollen E-Mails beantwortet, Nachrichten gelesen, Arbeit erledigt und Hobbys gepflegt werden. Und das alles gleichzeitig! Da strömt manchmal so viel auf einen ein, dass man schnell die Orientierung verliert oder sich total verzettelt. Was ist jetzt wirklich wichtig? Und was muss warten?

In der Schöpfungsgeschichte wird der Mensch „Ebenbild Gottes“ genannt. Ich denke, dass wir Menschen auch darin Gott ähnlich sind, dass wir dem Chaos Grenzen setzen können. Wir haben die Möglichkeit, Nein zu sagen, zu den Dingen, die auf uns einströmen. Und das sollten wir, wann immer es nötig ist, auch tun. Damit das Tohuwabohu in unserem Alltagsuniversum nicht die Oberhand gewinnt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19702
weiterlesen...