Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich möchte heute über Freundschaft sprechen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Freundschaft mein Ich erweitert. Wenn zwei Menschen sich befreunden, dann bedeutet das auch aufeinander Rücksicht nehmen, Kompromisse schließen, die eigenen Bedürfnisse zurückstecken. Muss ich dann nicht konsequenterweise auch in meinem Ich zurückstecken? Ich glaube nicht - im Gegenteil! Lasse ich mich ohne Vorbehalte auf einen Menschen ein, dann nehme ich ihn wahr, aber auch mich und mein Verhalten. Beschäftige ich mich ernsthaft mit den Vorstellungen des anderen, dann hinterfrage ich auch meine. Ich denke an Freundinnen und Freunde, die mich durch ihre Art, durch ihre Ausstrahlung und Liebe geprägt haben, durch die ich anders geworden bin: Ich hoffe menschlich reifer, vielleicht feinfühliger und verständiger. Und ich habe erkannt: Freundschaft hat mein Ich nicht zurückgestutzt, sondern erweitert. Viele Seiten im Buch meines Lebens wären nicht aufgeschlagen worden. Manche Fähigkeiten wären unentdeckt geblieben. Die Art und Weise das Leben zu sehen, wäre womöglich um einiges einseitiger. Freundschaft hat mein Ich erweitert. Und noch eine Beziehung hat mein Ich nicht eingeschränkt, sondern erweitert: Mein Glaube an Gott. Gottesvorstellungen und Gottesbeziehungen stehen allerdings auch in Gefahr, Menschen nicht frei und weit zu machen, sondern sie einzuengen, sie unfrei zu halten oder gar zu ängstigen. Ich durfte – Gott sei Dank – andere Erfahrungen machen. Es gibt in meinem Leben Menschen, die mir schon recht früh ein positives Gottesbild vermittelt haben. Das Bild von einem Gott, den Jesus verkündet und bezeugt hat. Ich höre immer wieder gerne, was Jesus im Johannes Evangelium betont: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut.“ Jesus hat uns seine Freundinnen und Freunde genannt. (Johannes 15,13-16)


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