Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die alt-katholische Kirche in Furtwangen, wo ich Pfarrer bin, trägt den Namen „Christi Auferstehung“, sie ist also eine Osterkirche. Über dem Altar ist ein großes Fenster. In der Mitte ist dort überlebensgroß der auferstandene Jesus zu sehen. Sein Gewand ist violett, der Oberkörper gelb, Haare und Bart schwarz. Außen herum ist ein großer Kreis in Blautönen, von dunkel bis hell, der die Welt darstellt, weiter nach außen sind die Scheiben in verschiedenen hellen Farben gestaltet.

Die Farbe Rot haben nur fünf kleine Scheiben auf dem großen Fenster. Es sind die fünf Wundmale, die von der Kreuzigung geblieben sind, an beiden Händen, beiden Füßen und an der rechten Seite. Ganz oft, wenn ich mir das Fenster anschaue, bleiben meine Augen an den fünf kleinen roten Scheiben hängen.

Wenn ich sie sehe, weiß ich mit Bestimmtheit: Das ist der auferstandene Jesus. Denn niemand anders hat diese Wundmale und lebt wieder. Die Wundmale sind so etwas wie ein Ausweis.

Die Jünger damals hatten sich nach dem Tod Jesu in einem Raum in Jerusalem versammelt und die Türen verschlossen, weil sie Angst hatten. Als Jesus durch die verschlossene Tür zu ihnen kam nach seiner Auferstehung, zeigte er ihnen als erstes seine Hände und seine Seite. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie zuerst sehr erschrocken waren über die plötzliche Begegnung. Nachdem ihnen aber klar wurde, dass sie gerade Jesus mit den Wundmalen seiner Kreuzigung sehen, begreifen sie, dass es der auferstandene Jesus ist, dass sie keine Angst haben müssen und ihm vertrauen können.

Einer der Jünger, Thomas, war nicht dabei, als Jesus kam, und er möchte zuerst die Wundmale sehen, bevor er an die Auferstehung Jesu glauben und ihm vertrauen kann. Und auch das ermöglicht Jesus ihm eine Woche später.

Nach dem Flugzeugunglück in den südfranzösischen Alpen ist das Vertrauen der Menschen in andere Menschen, in die Technik, in die Sicherheit erschüttert worden. Und doch müssen wir anderen Menschen vertrauen, um unser Leben gestalten zu können.

Wem können wir vertrauen, wer ist es wert, dass wir uns in seine Hände geben. Jesus kann sich ausweisen, an den Wundmalen haben seine Jünger ihn erkannt. Wie schön wäre es, wenn sich alle Menschen so unverkennbar ausweisen könnten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19652
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