Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich habe ein Geschenk bekommen. Beinahe hätte ich es übersehen. Weil ich immer in eine andere Richtung geschaut habe. Gott sei Dank habe ich es jetzt gemerkt: Ich habe 15 Jahre geschenkt bekommen. 15 Lebensjahre voller Möglichkeiten.
Gemerkt habe ich das, als ich neulich eine Umfrage gelesen habe: Wann ist man alt, war die Frage. Mit Anfang 70, haben die Menschen geantwortet. Viele haben sogar gesagt: So ab 75. Vor 30 Jahren haben auf dieselbe Frage noch die allermeisten geantwortet: Alt ist man ab 60.
Wenn ich es recht überlege, entspricht das auch meiner Beobachtung: 60jährige heute sind längst nicht so alt, wie meine Eltern es in demselben Alter waren. Oder jedenfalls wirkten sie damals viel älter. Und ich glaube, sie haben sich auch älter gefühlt. Dieses Bild hatte ich bisher immer vor Augen, dass man mit 60 alt ist.
Und jetzt habe ich 15 Jahre geschenkt bekommen. 15 Jahre, in denen ich noch viele Möglichkeiten habe. „Wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein.“ (Ps 92, 15) So beschreibt ein Psalm in der Bibel die Menschen, die ihr Leben als Geschenk von Gott begreifen.
Und was fange ich nun an mit diesem Geschenk?
Gerhard Wegner, eine Theologe und Berater der Evangelischen Kirche, hat dazu folgenden Rat: „Wer läuft, lernt und liebt und dabei vielleicht auch noch lacht, der hat gute Chancen ein positives Alter zu erleben“.
Laufen, lernen und lieben Ich finde, das ist ein tolles Motto für die geschenkten Jahre. Und alle drei leuchten mir ein: Laufen, in Bewegung bleiben, nicht auf dem Sofa versumpfen und auch nicht im Wohnmobil – geistig und körperlich in Bewegung bleiben: das hält einen jung. Kein Dauerurlaub, sondern teilnehmen am Leben. Und lernen: Mich interessieren für das, was ich noch nicht kenne. Wahrnehmen, wie andere leben und denken, vor allem auch die Jungen, damit ich nicht bloß sagen kann: früher war‘s besser und so soll es auch weiter bleiben – sondern auch: Das passt für heute. Das ist gut auch für die, die nach mir kommen. Und lieben: Liebe im Alter ist nicht mehr peinlich. Auch alte Menschen können einander zeigen: Du bist geliebt. Deshalb bist du wichtig. Und die Liebe umfasst ja nicht bloß den einen oder die eine. Liebe im Alter bezieht sich auch auf die Kinder und die Enkel. Auf die Generationen nach mir.
15 geschenkte Jahre zum Leben, laufen, lernen und lieben. Und gerne auch lachen. Ich schaue jetzt mit viel mehr Zuversicht auf dieses Geschenk. Ich hoffe, ich kann es genießen. Und dann auch gern und zufrieden das Geschenk des Lebens zurückgeben an den, der es mir gegeben hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19618
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