Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wer trauert, der braucht Schutz. Und hat auch ein Recht darauf, sich vor der Neugier der anderen zu schützen. Das ist mir in den letzten Wochen wieder klar geworden. Mehrfach. Zuerst bei einer kleinen Begebenheit bei der Biathlon-WM vor ein paar Wochen.
Der Franzose Martin Fourcade war im Ziel und Erster. Also musste er in die sogenannte Winners Box. Immer wieder haben ihn die Kameras gezeigt. Aber er wollte nicht begafft werden. Er hat das sehr deutlich gemacht, in die Kamera, aber vergeblich. Bis er schließlich einen schwarzen Stulpen genommen hat und ihn über die Kamera gestreift.
Hinterher hat sich herausgestellt, warum er allein sei wollte und nicht beobachtet werden. Er war Sieger, aber er war auch in Trauer. Zwei Tage vorher sind gute Freunde von ihm bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Bei denen wollte er sein dürfen in Gedanken. Und wollte nicht, dass Millionen Zuschauer ihn dabei beobachten. Wer trauert, ist verletzlich. Und neugierige Blicke tun da weh.
Ich glaube, Martin Fourcade hat das richtig gemacht. Und er hat etwas gezeigt, was wir heutzutage oft vergessen. Ich manchmal auch.
Wer trauert, der braucht Schutz. Vor Kameras und auch sonst vor neugierigen Blicken.
Ich war darum erleichtert, dass man die Trauernden des Germanwingsabsturzes vor unserer Neugier geschützt hat. Anfangs jedenfalls. Die Trauernden brauchen Schutz.
Darum habe ich übrigens bei der Trauer, die ausdrücklich öffentlich gezeigt wird, kein gutes Gefühl. Ist das wirklich Trauer? Kann man so Mitgefühl ausdrücken, das den wirklich Trauernden hilft? Die vielen Politiker, die an den Absturzort geflogen sind. Trauern sie oder geht es darum, dass sie sich sehen lassen, von uns, der Masse der Zuschauer. Weil wir ihnen sonst womöglich vorhalten würden, sie kümmern sich nicht und sind kalt? Aber vielleicht würde ja den wirklich Traurigen weniger Kameratrauer mehr helfen. Und vielleicht mir als Zuschauer auch?
Wer trauert, braucht den Schutz vor neugierigen Blicken. Und darf sich auch selbst davor schützen.
Wer trauert, braucht echte Nähe. Von Menschen, die wirklich nah kommen, für länger. Das muss ich mir wieder merken. Für das normale Leben. Wenn Trauernde und die, die mitfühlen, einander nahe kommen, dann kann Gott dazu kommen. Und trösten. Wenn man sich in Trauer gegenseitig schützt und beisteht, kann man auch Gott spüren. Wirkliche Nähe tröstet und kann wieder ins Leben bringen. Kameras, die zu nah kommen, stören da eher.

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