Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Eigentlich sollte ich mich bei Martin Fourcade bedanken. Für seinen Blick nach oben. Auch wenn ich mich danach ein bisschen über mich selbst geschämt habe. Aber sich schämen tut manchmal auch gut.
Bei der Biathlon-Weltmeisterschaft war es, Anfang März. Da ist Martin Fourcade Weltmeister geworden. Als er ins Ziel gelaufen ist, hat er eine überraschende Geste gemacht: Nicht ausgelassen gejubelt, sondern das Gesicht zum Himmel erhoben, ich glaube sogar, mit Augen zu. Und die Hände vor dem Körper nach oben gestreckt. Als würde er sich „da oben“ bedanken. Von ihm hatte ich so was noch nie gesehen und fand es gut.
Der Sportschau-Reporter hat es auch bemerkt und kommentiert. Aber kritisch. Anscheinend hat ihn diese Geste von Fourcade, die irgendwie religiös gewirkt hat, gestört: „Eigentlich verdankt er diesen Sieg ja doch seiner Kraft von innen“ hat der Reporter  gemeint. Das hat mich geärgert.
Warum darf ein Sportler dem Himmel nicht dankbar sein? Und das zeigen. Ist doch gut, wenn einer im Erfolg nicht abhebt und weiß dass er seine Siege nicht nur sich selbst verdankt. Intensivstes Training und Anstrengung, sind das eine. Aber das Talent und die mentale Kraft, die kann sich niemand selbst geben. Die kann man sich nicht verdienen und man verdankt sie auch nicht sich selbst. ‚Guter Mann, dieser Martin Fourcade, dass er das weiß und sich bedankt‘, hab ich gedacht.
Aber wir haben uns beide in Fourcades Geste getäuscht:
Der Reporter mit seiner vorlauten Kritik und ich mit meiner schnellen Vereinnahmung. Im Interview hat man Fourcade gefragt, was er mit seiner Geste sagen wollte.
Die Antwort hat mich ein bisschen beschämt. Er hat anscheinend nicht nur an seinen Sieg gedacht. Sondern an Freunde, Sportler wie er, die ein paar Tage vorher ganz tragisch ums Leben gekommen sind. Daher das Zeichen zum Himmel. Trauer lag drin, vielleicht auch die Bitte, dass sie dort gut aufgehoben sein mögen. Was genau er ausdrücken wollte, hat er nicht gesagt. Vielleicht hat er es auch nicht in Worte fassen können.
Jedenfalls finde ich beeindruckend. Da ist einer im Moment des Sieges, von dem er ja berauscht sein könnte, auf einmal so ganz bei anderen. Lässt an sich heran, wie zerbrechlich das Leben sein kann. Denkt nicht bloß: ‚Ich, ich, ich.‘ Ein bisschen schäme ich mich, dass ich ihm das nicht zugetraut habe.
Aber noch lieber danke ich Martin Fourcade: Und jedem und jeder, die wissen, was sie dem Himmel verdanken. Allen, die gerade in ihren Erfolgen ein Herz für die haben, die geschlagen sind.

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