Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Karsamstag – das ist der Tag „dazwischen“. Gestern, am Karfreitag, ist Jesus am Kreuz gestorben. Morgen feiern wir Ostern. Doch heute am Samstag passiert gar nichts.
Ein Tag der Trauer und der Stille. Aber einer ist da, der an diesem Tag handelt: Joseph von Arimathäa. Über ihn steht in der Bibel kaum was. Nur einmal taucht er auf: ganz am Ende, nachdem Jesus gestorben ist. Als Jesus vom Kreuz genommen wird, geht er zu Pilatus und bittet um Erlaubnis, den Leichnam holen und begraben zu dürfen.

Joseph von Arimathäa gehört zur jüdischen Prominenz in Jerusalem. Er ist nicht irgendein namenloser Fischer aus Galiläa oder ein kleiner Zollbeamter, der mit Jesus unterwegs ist. Nein, Joseph hat Geld. Mit einem kleinen Vermögen hat er für sich ein Felsengrab in der Nähe Jerusalems gekauft. Das ist damals schon etwas Besonderes. Und ich vermute, gerade deshalb war es für Joseph so schwer sich öffentlich zu Jesus zu bekennen. Was hätten denn die anderen dann von ihm gedacht? Seinem Ansehen in den jüdischen Elitekreisen hätte das wohl ziemlich geschadet. 

Und dennoch: im entscheidenden Moment tut er, was er kann. Die Freunde Jesu sind alle verschwunden. Verzweifelt über den Tod. Sie können nicht fassen, was passiert ist.
Aber Joseph handelt. Wenn auch ohne großes Aufsehen zu verursachen. Er hat nicht vor, eine große, unvergessliche Tat zu vollbringen oder ins Rampenlicht zu treten. Das passt nicht zu ihm. Aber er nimmt all seinen Mut zusammen und gibt seiner Trauer um Jesus einen Ort. Einen Ort, den er eigentlich für sich selbst nach seinem eigenen Tod vorgesehen hatte.

Doch Jesus liegt ihm am Herzen. Ihm will er die Ehre geben, so gut das jetzt eben noch geht! Er weiß, wie schlimm es ist, wenn Verstorbene irgendwo begraben werden.
Wenn es keinen Ort gibt, zu dem man hingehen kann, wenn die Trauer zu groß wird. 

Als Joseph von Arimathäa ein Grab für Jesus besorgt, ahnt er nicht, dass er damit auch einen Raum für dessen Auferstehung bereitstellt. Er tut lediglich, was er kann. Aber das reicht aus. 

Auch bei uns ist es oft Karsamstag – wenn die Trauer uns lähmt und wir nicht wissen, wie es weitergehen soll. Gut, dass es in solchen Momenten Menschen, wie Joseph von Arimathäa gibt. Menschen, die nicht weglaufen, sondern tatkräftig anpacken und einen Platz für die Trauer bereithalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19490
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