Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Eine Schuld kann einen drücken wie ein schwerer Rucksack. Als Kind habe ich den Deckel von Mutters guter Teekanne zerbrochen und dann mit Alleskleber geklebt. Damit es keiner merkt. Das hat auch geklappt. Aber jahrelang hat es mich gedrückt und ich hatte Angst, dass es herauskommt.

Als Erwachsenen drücken einen größere Fehler. Vielleicht erinnern Sie sich auch an den Tag, als sie jemandem sehr wehgetan haben. Oder als sie jemanden im Stich gelassen haben, der auf Sie gerechnet hat. Schuld mit sich herumzutragen ist schwer.

Aber manchmal ist es noch schwerer, Vergebung anzunehmen, finde ich. Erstens müsste ich ja zugeben, was ich getan habe. Zugeben, dass ich nicht so bin, wie ich gern wäre. Und wenn der andere mir vergibt: Das muss ich auch aushalten. Da fühlt man sich nämlich leicht unterlegen. Ich habe einen schweren Fehler gemacht und der andere ist gut zu mir. Das ist schwer zu ertragen.

Dann doch lieber die Methode Alleskleber: Alles zukleistern, damit nach Möglichkeit keiner merkt, was ich getan habe. Lieber mich rechtfertigen und verteidigen. Und wenn das nicht hilft: Davon laufen. Mich nicht mehr melden. Damit ich die vorwurfsvollen Blicke nicht ertragen muss oder die traurigen, je nachdem.

Bloß: So komme ich nicht über mich selbst hinweg. Ich bleibe festgelegt auf das, was ich gemacht habe.

Jesus hat versucht, Menschen aus dieser Sackgasse zu befreien. Er hat von Gott erzählt, der sich freut, wenn ein Schuldiger umkehrt. So, wie ein Hirte, der ein verlorenes Schaf wieder findet. So, wie eine Frau, die ihren Geldbeutel wiederfindet. Gott freut sich, wenn einer endlich loswerden will, was ihn drückt. Er will niemanden beschämen und klein machen. Er freut sich, hat Jesus erzählt

Ich denke, Gott freut sich, weil er will, dass es seinen Geschöpfen gut geht. Seine Menschen sollen aufrecht gehen können und nicht bedrückt den Kopf hängen lassen. Menschen sollen nicht voreinander weglaufen und sich verstecken, weil sie den anderen nicht mehr in die Augen sehen können. Sie sollen sich anschauen können. Und gut miteinander leben.

Deshalb freut sich Gott, wenn einer loswird was ihm auf der Seele liegt. So macht vergeben das Leben leichter. Wenn eine Mutter sich freut, weil der Sohn wieder anruft, nach allem was war. Wenn die Tochter sich freut, weil der Vater sich meldet: „Es tut mir leid. Wollen wir es nicht noch mal versuchen, vielleicht am nächsten Wochenende?“

Vergebung annehmen und sich versöhnen. Das macht das Leben leichter. Und alle können sich freuen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19438
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