SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

Nicht nur Kinder haben Angst im Dunkeln. Auch Erwachsene. Wer weiß nicht, wie  das ist, nachts aufzuwachen mit einem namenlosen Schrecken? Angst vor einer Dunkelheit, die wie ein böser Traum keinen Ausgang hat.
Die Nacht, das ist das Andere, das Jenseits meines taghellen Verstands. Und in Zeiten, als es noch kein elektrisches Licht gab, haben das Menschen besonders intensiv empfunden.
Wenn ich das weiß, verstehe ich das Lied, das ich Ihnen heute mitgebracht habe, besser. Es findet sich im Choralbuch von Johann Sebastian Bach:
„Ich dank dir schon durch deinen Sohn, o Gott, für deine Güte, dass du mich heut in dieser Nacht, so gnädig hast behütet.“
Der Melodie ist das Aufatmen angesichts des frühen Morgenlichtes deutlich anzumerken. So schwingt sie sich empor wie ein frei gelassener Vogel.

Ich dank dir schon durch deinen Sohn,
o Gott, für deine Güte,
dass du mich heut in dieser Nacht
so gnädig hast behütet.

Wie schwarz, wie finster eine Nacht sein kann, das kann man sich  heute kaum noch vorstellen. Mir ist das bewusst geworden, als ich vor einiger Zeit einen alten, abgelegenen Museumsbauernhof im Hochschwarzwald besucht habe. Beim Laufen über die schweren Dielen und unter den niedrigen Holzdecken, habe ich mir vorgestellt, wie die Bewohner hier die Nächte erlebt haben.
Nachts – da war wirklich alles Licht im Hause gelöscht. Es gab ja nur den Kienspan oder die Öllampe. Und die über Nacht brennen zu lassen, das wäre viel zu gefährlich gewesen. So war die Finsternis überall im Haus.
Da ist dann das erste Licht am Morgen wie eine Befreiung. Und die Bitte, Gott möge mich auch am Tag  beschützen vor dunklen Mächten, klingt wie ein heller Seufzer der Erleichterung.

Und wollest mich auch diesen Tag
in deinem Schutz erhalten,
dass mir der Feind nicht schaden mag
mit Listen mannigfalten.

Ein gesungenes Morgengebet ist dieser Choral. Mit einer merkwürdige Formulierung gleich zu Beginn: „Ich dank dir schon durch deinen Sohn“. Was hat Jesus mit meinen Nächten zu tun?
Vielleicht, denke ich, weil er solche Nächte kennt, in denen die Dunkelheit nach einem greift.  Ich denke an die Nächte auf dem Weg seiner Passion. Die einsamen Nächte, in denen niemand mit ihm wachte, auch seine eigenen Jünger nicht. Könnt ihr nicht einmal mit mir wachen?, fragt Jesus seine Jünger.
Sie konnten es nicht. Jesus aber kann es. Meine Dunkelheit teilen. Mit mir wachen. Mich schützend begleiten.
Das ist der Grund dafür, warum sich dieser Choral so leichtfüßig und getröstet in den neuen Tag hinein schwingt. Im Vertrauen darauf, dass ich behütet bin. Des Nachts wie des Tags.
So  will ich diesen Tag  beginnen. Aufgeweckt. Ausgeschlafen. Ausbalanciert. Die Dunkelheit der Nacht hat einen Ausgang. Es fällt ein Licht aus der Höhe auf unser Leben. Gott sei Preis und Dank!

Allein Gott in der Höh sei Preis
samt seinem ein'gen Sohne
in Einigkeit des Heiligen Geists,
der herrscht ins Himmels Throne.

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„Ich dank Dir schon durch Deinen Sohn“ track 5 aus CD 1
Choralbuch für Johann Sebastian Bach
Bohemian Music Service

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19391
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