Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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 „Ich weiß nicht, was ich euch sagen soll.“ Das ist nicht unbedingt der Satz, mit dem man eine Predigt beginnt. Von einer guten Predigt darf man doch erwarten, dass sie nachdenklich macht oder aufrüttelt oder mitreißt oder auch zum Widerspruch reizt. Dass man vielleicht einen klugen Gedanken mitnehmen kann. Das erwartet man. 

„Ich weiß nicht, was ich euch sagen soll.“ Papst Franziskus war es, der eine seiner Predigten mit diesem Satz begonnen hat. Und nicht irgendeine Predigt. Es war der Abschlussgottesdienst seines Besuchs auf den Philippinen am Anfang des Jahres. Sieben Millionen Menschen waren nach Manila gekommen, die meisten, die jemals mit einem Papst Gottesdienst gefeiert haben. Bei Regen und Sturm haben sie stundenlang ausgeharrt, so wichtig war ihnen diese Begegnung. Und dann hat er begonnen zu ihnen zu sprechen, und der erste Satz war: „Ich weiß nicht, was ich euch sagen soll.“  

Und die Menschen – haben geweint. Sie haben verstanden, dass er nicht gekommen ist, um ihnen zu sagen, was richtig und was falsch ist und wie sie zu besseren Christen werden. Sie haben verstanden: er ist gekommen, um bei ihnen zu sein. Um sich selbst anrühren zu lassen von ihrem Leid. Um sich stärken zu lassen von ihrem Glauben, von ihrem Vertrauen auf Gott.  

Situationen, in denen es uns die Sprache verschlägt, gibt es immer wieder. In denen jedes Wort zu viel sein kann oder das falsche. „Wir wissen oft nicht, wie wir beten sollen“, sagt der Apostel Paulus, ausgerechnet er, der so ein wortgewaltiger Briefschreiber war wie keiner sonst. Aber, so fährt er fort, wenn wir stumm bleiben, wenn wir keinen klaren Gedanken fassen können und keinen richtigen Satz rauskriegen, dann übersetzt Gott selbst unser hilfloses Gestammel (vgl. Römerbrief, Kapitel 8) und versteht auch den kleinsten Gedankenfetzen. Es ist nicht umsonst, auch wenn zum Beten die Kraft fehlt oder das Vertrauen oder eben die Worte.  

Natürlich hat Franziskus in dieser Predigt auf den Philippinen dann doch noch manches Richtige und Wichtige gesagt. Aber ich bin sicher: was die Herzen der Menschen erreicht hat, war dieser Satz, dieser eigentlich unmögliche Satz: „Ich weiß nicht, was ich euch sagen soll.“ Und ich bin sicher, dass dieser Satz auch Gottes Herz erreicht hat.

 

 

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