Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Erinnern Sie sich noch, wann sie das erste eigene Geld verdient haben? Ich kann das ganz genau sagen, einen Plattenspieler hab ich mir davon gekauft. Was war das für ein tolles Gefühl: zum ersten Mal ein Schritt auf eigenen Füßen, unabhängig sein von Taschengeld und Geschenken und Zugeständnissen.  

Selbständig und unabhängig zu sein, das ist einer der Urwünsche der Menschen. Und für viele auch der Inbegriff von Menschenwürde. Weil es uns ausmacht, dass wir etwas entscheiden können, und sei es nur, welche Musik ich gern höre. 

So reizvoll es ist, durch eigene Leistung unabhängig zu sein, so sehr kann man sich damit auch etwas vormachen. Denn wirklich unabhängig sind wir ja nie, auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, wir wären es. Es fängt schon bei der Geburt an. Wie viel Fürsorge braucht ein Kind, bis es irgendwann einmal für sich selbst sorgen kann. Und wenn wir nicht schon vorher sterben, dann spüren wir im Alter meist wieder sehr deutlich, wie sehr wir auf andere angewiesen sind. 

Trotzdem: durch eigene Leistung unabhängig zu sein, das gibt ein gutes Gefühl. Und es wird uns ja immer eingeschärft: Wenn du noch mehr leistest, kannst du dir noch mehr leisten und dadurch noch unabhängiger werden! Das ist sozusagen das Glaubensbekenntnis einer Gesellschaft, die man – nicht von ungefähr – Leistungsgesellschaft nennt.  

In den katholischen Gottesdiensten ist heute etwas anderes zu hören. „Aus Gnade seid ihr gerettet, nicht durch Leistung“ (Eph 2,8). Das hat der Apostel Paulus in einem Brief an die Gemeinde in Ephesus geschrieben. Dabei hat er gar nichts gegen das Arbeiten, ganz im Gegenteil. Immer wieder hat er betont, dass er seinen Lebensunterhalt selbst verdient und niemandem auf der Tasche liegt. Und denen, die gemeint haben, in der christlichen Gemeinde könne man sich bequem durchfüttern lassen, denen hat er ganz schön die Leviten gelesen.  

Aber wenn es ums Ganze geht, um das, was am Ende zählt in meinem Leben, dann sagt er sehr klar: Retten kann dich keine Leistung, wie sehr du dich auch anstrengen und abstrampeln magst. Was dich kostbar macht, ist nicht, dass du tüchtig bist, sondern, dass du geliebt bist. Und was am Ende von dir bleiben wird, ist nicht gnadenlose Leistung, sondern: leistungslose Gnade. 

 

 

 

 

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