Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, sagt ein Sprichwort. Dass das nicht immer stimmt, ist klar. Viel zu oft schweigen Menschen, wenn es eigentlich notwendig wäre, den Mund aufzumachen und energisch Einspruch zu erheben zum Beispiel gegen Krieg, gegen Ungerechtigkeit oder Ausgren­zung. Aber manchmal kann Schweigen auch lauter sein als Reden. Das zeigt das Anti-Mobbing-Video des 19jährigen Benjamin Drews. Und das zeigt die Anti-Rechts-Aktion des oberfränkischen Städtchens Wunsiedel.
Auf den ersten Blick haben beide Aktionen nichts miteinander zu tun. Benjamin Drews hat ein Video bei Facebook eingestellt. Das Städtchen Wunsiedel hat Spendengelder gesammelt. Es gibt aber eines, das beide Aktionen verbindet: Beides Mal protestieren Menschen engagiert gegen einen Missstand und zwar ohne ihre Stimme zu erheben!
Benjamin Drews steht in seinem Video stumm vor einer weißen Wand und hält Zettel in die Kamera. "Gegen Mobbing“, steht darauf, und: „Leute, niemand ist weniger wert, nur weil er: eine Behinderung hat, vielleicht nicht viel Geld hat, vielleicht nicht so klug ist, vielleicht nicht die beste Figur hat, schwul, lesbisch oder bi ist, eine andere Hautfarbe hat, einen anderen Glauben hat, eine andere Herkunft hat“. Eine Video ohne Action und trotzdem sehen Millionen Menschen es sich an!
Und in Wunsiedel? Da haben sich die Bürger gegen den alljährlichen Neonazi-Aufmarsch zum Volkstrauertag gewehrt, ohne Gerede und dafür mit viel Humor und einer genialen Idee: Für jeden Meter, den ein Neonazi auf dem Aufmarsch zurücklegte, haben Sponsoren Geld für ein Aussteigerprogramm für Neonazis gespendet – 10.000 Euro kamen so zusammen. Die unfreiwilligen Spendenläufer erfuhren davon erst auf der Strecke. Dort allerdings eindrücklich und mit viel Witz: "Flink wie Windhunde, zäh wie Leder – und großzügig wie nie“ stand beispielsweise auf einem der rosa Banner am Streckenrand. Oder: „Endspurt statt Endsieg“. So haben die Wunsiedeler die rechte Demo umgemünzt zu einem unfreiwilligen Spendenlauf und die marschierenden Rechten zu Unterstützern eines anti-rechten Programms gemacht.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Wenn das Schweigen so kreativ und eindrucksvoll gestaltet wird wie bei Benjamin Drews oder dem Städtchen Wunsiedel, dann stimmt das tatsächlich. Denn dann zeigt sich: Man muss nicht immer die Stimme erheben, um andere zum Nachdenken zu bringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19343
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