Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ella hat ein freiwilliges soziales Jahr gemacht. Bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Sie hatte von einem ganzen Jahr ganz ohne Lernen geträumt, bevor es dann mit der Berufsausbildung weitergeht. Und dann hat sie gemerkt, dass man in einem „freiwilligen sozialen Jahr“ trotzdem Dinge lernt, die man ein Leben lang nicht vergisst.
Ella hat ihren Freiwilligendienst bei Aktion Sühnezeichen in Israel geleistet. Dort hat sie Gretel kennengelernt, in einem Altersheim in Haifa.  Ihr wöchentliches Highlight waren bald die Besuche bei der 94jährigen Gretel. Gretel hat ihr oft erzählt von ihrer Kindheit und Jugend in Frankfurt. 1934 war sie  mit einer zionistischen Jugendorganisation von Frankfurt nach Haifa gekommen. Sie selbst war im Nationalsozialismus nie in Gefahr Aber ihren Eltern, Norbert und Julie Baum, ist es nicht mehr gelungen ein Visum für die Auswanderung nach Israel zu bekommen. Sie wurden nach Lodz deportiert und dort ermordet.
Ella, der jungen Frau aus Deutschland, haben in solchen Momenten oft die Worte gefehlt.  Immer wieder hat sie sich ihr die Frage gestellt: „ Wie ist es möglich, dass Gretel mir überhaupt in die Augen sehen kann?“ Aber Gretel war der Meinung:“ Ihr jungen Leute in Deutschland seid nun eine neue Generation. Ihr werdet aus der Geschichte lernen und es nie mehr so weit kommen lassen.
Und dass du, als junge Frau aus Deutschland, hier  freiwillig in einem Altersheim in Israel arbeitest, das ist ein wichtiges Zeichen für uns, die wir im Nationalsozialismus in Deutschland gelebt haben.  Wir sehen, dass Ihr Jungen den Frieden wollt und die Versöhnung.
Ella ist in dem Altersheim in Haifa aber auch mit Menschen in Kontakt gekommen, die in deutschen Konzentrationslagern waren und deren ganze Familie vernichtet wurden. Manche von ihnen können den Klang der deutschen Sprache bis heute nicht ertragen. Gretel gehört nicht dazu. Sie liebt die deutsche Sprache und sie hat die anderen Heimbewohner oft belehrt darüber, dass heute doch andere Menschen als damals in Deutschland aufwachsen würden.
Aus den wöchentlichen Besuchen von Ella, der 2ojährigen aus Deutschland bei Gretel, der 94jährigen Jüdin ist eine persönliche Freundschaft entstanden. Etwas Wertvolleres hätte Ella in ihrem freiwilligen sozialen Jahr gar nicht lernen können.  Dass Freundschaft zwischen Menschen stärker  ist als die Verbrechen der Vorfahren. Ich finde, solche Freundschaften sind der sicherste Garant für den Frieden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19254
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