Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was meinen Sie? Wirkt sich das, was die Vorfahren getan oder erlebt haben, auf das Leben ihrer Kinder aus? In der Zeit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Deutschland war das die große Frage: Sind wir Nachkommen mitverantwortlich, auch wenn wir selbst gar nicht mit dabei waren?   70 Jahre nach Kriegsende ist diese Frage noch immer nicht endgültig geklärt.
Eines jedenfalls scheint sicher, dass wusste man schon im alten Israel: Die Taten der Vorfahren wirken sich auf das Leben der Kinder aus. Da gibt es das biblische Sprichwort: „Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden“( Ez 18,2).
Wer nämlich unreife, also saure Trauben isst, der wird schnell merken, dass nach der ersten Erfrischung ein unangenehmer pelziger Belag auf den Zähnen entsteht. So, als seien die Zähne stumpf geworden. Ins Sprichwort übertragen meint das: Eine Tat hat Folgen bei den Kindern. Erst merkt man es  gar nicht, aber dann umso deutlicher.
Eltern und Großeltern geben den Kindern mit, was sie erlebt haben. Selbst dann, wenn die Kinder zu der Zeit noch gar nicht geboren waren. Das Verhalten der Eltern und Großeltern ist belastet von dem, was sie erleben mussten. Und die Kinder spüren das.
Kriegskinder sind davon geprägt. Oder Kriegsenkel. Dass die Erfahrungen von Flucht und Vertreibung nach dem Krieg nicht einfach ausradiert sind, wenn die nächste Generation geboren wird. Erfahrungen werden unbewusst von einer Generation zur anderen weitergegeben. Und das Misstrauen zum Beispiel, die Angst vor Fremden, die Sorge um das eigene Leben –das teilt sich den Kindern oder Enkeln mit. Die sind dann auch irgendwie misstrauisch, ängstlich und sorgenvoll.
Aber: Sind sie auch mitverantwortlich? Nach dem, was in der Bibel steht, heißt es das nicht. Der Prophet Ezechiel meint: Egal, welche Schuld die Eltern tragen und egal, welche schweren Schicksalsschläge die Großeltern erleiden mussten, - jeder Mensch und jede Generation soll die Chance haben, neu anzufangen. Manchmal ist es bis dahin ein langer Weg. Vergangenes muss aufgearbeitet werden. Man muss Einsicht gewinnen in die eigenen Wurzeln. Das ist mühsam. Aber: Jeder Mensch bekommt von Gott eine eigene Geschichte. Und diese Geschichte beginnt nicht nur einmal. Sondern immer wieder neu. Mit jeder neuen und eigenen Erkenntnis was richtig ist und was falsch. Dann kann man ein selbst verantwortetes, eigenes Leben beginnen..

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19251
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