Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In gut 20 Minuten ist Pforzheim durch einen Fliegerangriff nahezu komplett zerstört worden. Heute vor 70 Jahren, am 23. Februar 1945, also kurz vor Kriegsende. Ein Fünftel der Bevölkerung ist damals ums Leben gekommen. Kaum eine Pforzheimer Familie, die nicht Tote zu beklagen hatte. Bis heute wird in Pforzheim jedes Jahr an dieses traumatische Geschehen gedacht.
Am 23. Februar findet auch in jedem Jahr der Fackelzug der Neonazis in Pforzheim statt. In diesen Stunden haben sich die Einwohner bisher immer in ihre Häuser eingeschlossen, aus Angst vor Krawallen und vor gewaltsamen Ausschreitungen. Dieses Jahr soll es anders sein. Die christlichen Kirchengemeinden  in Pforzheim laden die Einwohner zu einem Fest ein, draußen auf der Straße. Die Leute sollen dieses Jahr rauskommen aus den Häusern und sich zeigen. Vor allem sollen sie zeigen, dass es nicht darum geht, an irgendwelche Helden Deutschlands zu erinnern.  Die Christen sagen, wir vergessen die Opfer dieser schrecklichen Bombardierung nicht. Doch wichtiger ist heute, dass wir zusammenkommen, weil wir den Frieden wollen. Für uns und für alle Länder auf der Welt. Deshalb wollen sie heute nicht feierlich schweigen, sondern Feste feiern, möglichst draußen auf der Straße. Mit Posaunen –und Kirchenchören mit Gauklern und Spielen, mit Essen und Trinken. Und am Abend dann mit Friedensmärschen von den Gemeindehäusern zum Lichtermeer auf den Marktplatz.
Ein Friedensfest gegen den Aufzug von ein paar Neonazis zu feiern, das kann man für naiv halten. Doch der christliche Glaube ist nun mal eindeutig und parteiisch, weil Jesus Christus in seiner Friedensbotschaft eindeutig war. „Selig sind die Menschen, die Frieden stiften“ hat er gesagt. Und „liebet eure Feinde und tut Gutes denen, die euch hassen.“ Man kann das auch naiv finden. Man kann sagen, so etwas gehört hinter die Kirchenmauern oder ins Privatleben, aber nicht in die Politik.  Viele Jahrhunderte haben Christen ja so argumentiert. Und einen Krieg nach dem anderen angefangen.
Mir imponiert, dass viele Menschen in Pforzheim heute Abend für den Frieden auf die Straße gehen werden und zwar egal, welcher Religion, welcher politischen Richtung und welcher Generation sie angehören. Das große Lichtermeer auf dem Marktplatz wird mit dem Segen der Religionen enden. Ich hoffe, dann gibt es ganz viel erlebte Gemeinsamkeit und Dankbarkeit für 70 Frieden in Deutschland.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19250
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