SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

Es gibt vertraute Melodien, die sind offen für neue Texte. Und auf einmal entsteht aus Altem etwas Neues, Frisches. Manchmal scheint es sogar, als habe die alte Melodie darauf gewartet, endlich neu zu werden. Damit es wieder heutig wird. Zukunft weisend. Das Lied, das ich Ihnen mitgebracht habe, zeigt das. Weit über 500 Jahre alt ist die Melodie, nur wenig jünger der Text „Lob Gott getrost mit Singen“, auch schon über 450 Jahre alt.

Lobt Gott getrost mit singen

Ein altes vertrautes Lied. Aber 1989 wird es neu. Im August 89, wenige Wochen vor der Maueröffnung schreibt Klaus Peter Hertzsch neue Verse für seine Patentochter. Zu ihrer Hochzeit in Eisenach.
Die Worte, die er für die Zukunft des Paares findet, sind offen. Sie treffen auch die Umbruchstimmung im Land. Hertzsch hat erzählt, wie das Lied sich ausgebreitet hat: „Die Gemeinde in Eisenach war groß. Auch Leute aus dem Westen. Das ist dann der Weg gewesen, auf dem die bloß hektografierten Liedblätter zu verschiedenen Gemeinden in Deutschland kamen. Es ist an vielen Stellen gesungen worden. Weil es auch dem Lebens- und Zeitgefühl entsprach.“

Lobt Gott getrost mit Singen Reinhard Böhme

1. Vertraut den neuen Wegen,
auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt: sich regen,
weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen
am hohen Himmel stand,
sind Menschen ausgezogen
in das gelobte Land.

1989. Aufbruch in eine neue Freiheit verheißt das neue Lied, und ermutigt loszugehen. Das junge Paar und jeden, der es singt.
Die alte vertraute Melodie und der Text mit den neuen Erfahrungen haben einander gefunden. Die Melodie war wie eine Form, mit der man neue Erfahrungen so sagen konnte, dass sie neu waren und geschichtlich verwurzelt zugleich:

2. Vertraut den neuen Wegen
und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen
für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten
das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten,
wo er uns will und braucht.

Und heute? Der Zukunftsaufbruch von damals ist 25 Jahr her.
Der Pianist Andreas Gundlach bringt mir das Lied erneut nahe. Mit einer jazzigen Improvisation: Als suche er nach der Melodie. Wie wir manchmal nach Mut und Zuversicht suchen. Zögerlich tastet er nach ihrer Linie, ihrem Rhythmus, ihrer Haltung.
Mein Gefühl vor der Zukunft ist diesem Tasten und Suchen ähnlich.
Der Text von Klaus Peter Hertzsch ist viel zuversichtlicher als ich es bin. Aber ich kann meinen kleineren Glauben an seine Worte andocken. Ihn auffüllen mit den Glaubenserfahrungen, die Generationen von Menschen immer weder gemacht haben: Gott geht mit in die Zukunft. Angst nagt an meiner Seele, aber Vertrauen überwindet Angst.

Vertraut den neuen Wegen Schluss A. Gundlach

3. Vertraut den neuen Wegen,
auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen.
Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen
in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen.
Das Land ist hell und weit.

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Musik 1 „Lob Gott getrost mit Singen”  track 11 aus
         CD „Fürchte Dich Nicht, Denn Du Bist Mein“ Hänssler (2009)
         LC 06047  

Musik 2 „Lobt Gott getrost mit Singen“ track 12 aus
         CD Reinhard Börner, Schönster Herr Jesu    LC 06860   

Musik 3  Vertraut den neuen Wegen, track 2 aus
        CD Andreas Gundlach, Predigt ohne Worte. Choralimprovisationen Hänssler LC 06047 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19215
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