Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Guten Morgen,
Wer Gastfreundschaft übt, bewirtet gleichsam Gott selbst.
So lautet ein Satz aus dem Talmud, einer Auslegung der hebräischen Bibel. Abraham, der Stammvater der Hebräer hat das erlebt. Seine Frau Sara und er waren alt geworden und litten darunter, dass sie kinderlos geblieben waren. Sie hatten Gott gebeten, dass er sie von diesem Leid erlöst. Und Gott beschloss, auf dieses Gebet zu antworten. Er besucht Abraham und Sara in der Person von drei Männern. Abraham bewirtet sie, wie es in der Nomaden-Gesellschaft der damaligen Zeit üblich war. Sie bekommen Wasser um sich die Füße zu waschen, Brot, Kuchen, Milch, Butter und von dem Kalb das Abraham gerade hergerichtet hatte. Abraham widmet ihnen Zeit, kommt mit ihnen ins Gespräch. Und im Laufe dieses Besuchs eröffnet Gott ihm und seiner Frau, dass sie doch noch Eltern werden würden. Ein großartige Verheißung, die sich dann in ihrem Sohn Isaak erfüllt hat.
Der Kirchenvater Ambrosius hat die Vorstellung, dass uns im Gast Gott begegnet christlich interpretiert. Er stellte die Frage: „Wer weiß, ob nicht auch du, wenn du einen Gast aufnimmst, Christus aufnimmst? Denn im Gast verbirgt sich Christus…“
Egal ob Ambrosius oder der Talmud recht hat. Was mir diese Geschichte für heute sympathisch macht, ist die Vorstellung, dass in meinen Gästen Gott zugegen ist.
Ich stelle mir vor, was das bedeutet. Wenn ich Gäste einlade, zu meinem Geburtstag oder einfach bloß für einen netten Abend auf der Terrasse. Ganz verschiedene Leute kommen. Und Gott ist eben auch da. In einem jeden von ihnen. Als Gott nämlich jeden von ihnen geschaffen hat, hat er etwas von sich selbst in sie hinein gelegt. In den Eigenheiten dieser Gäste erlebe ich Gott.
Wenn ich mir das klar mache, dann gibt das allen unseren Besuchern eine ganz besondere Qualität. Gott kommt in ihnen zu mir.
Und ich will meinen Gästen so begegnen, wie es Gott
gebührt: Mit Achtung und Zurückhaltung, mit Freundlichkeit und Herzenswärme, mit Humor und Ernsthaftigkeit, mit Respekt für ihre Meinungen und Erfahrungen. Alles was Gäste abschrecken könnte, will ich lassen: Distanz und Kühle, Schroffheit und vorlautes Posaunen. Denn durch meine Gäste werde ich selber bereichert. Ich werde reicher an Erlebnissen und Erfahrungen. Im Gespräch bildet sich meine Meinung heran. Wir teilen Freude und Leid. Wir helfen einander. Wir bringen einander Gott näher. Deswegen will ich mir das künftig wieder stärker ins Bewusstsein rufen: In meinen Gästen begegnet mir Gott.


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