Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Geschichten können wie Spiegel sein. Können, sage ich. Denn nicht immer sind Menschen bereit, in diese Spiegel zu schauen.
Manches Mal ist es, als ob uns die Augen verbunden sind. Wir wollen nicht sehen, was wir mit unserer Einstellung oder unserem Verhalten anrichten. Auch ich habe Seiten, vor denen ich lieber die Augen verschließe. Daran will ich nicht erinnert werden.
Eine solche Spiegel-Geschichte erzählt Nathan, ein Mann Gottes, dem König von Israel, David. In der Bibel kann man die Geschichte nachlesen (2. Samuel 12).
Ein Mann hatte nur ein einziges Schaf, hat Nathan seinem König erzählt. Er liebte es wie sein Kind. Es hat von seinem Essen bekommen und durfte sogar bei ihm im Haus schlafen. Es war sein ein und alles.
Ein König dagegen hatte ganze Herden von Schafen. Einmal hatte sich Besuch angekündigt. Der König ließ ein feines Mahl für die Gäste zubereiten. Da waren ihm seine eigenen Tiere zu schade. Er ließ das einzige Schaf des armen Mannes holen und schlachten. Aber seine eigenen Schafe tastete er nicht an.
An diesem Punkt der Geschichte wurde der König zornig und rief aus: Ein Mann, der so etwas macht, verdient den Tod.
Dieser Mann, erwiderte der Erzähler, dieser Mann bist du.
Du hast viele Frauen, aber der nur eine Frau hatte, die er so sehr liebte, dem hast du sie genommen und ihn hast du umbringen lassen. Im Spiegel dieser Geschichte erkennt der König, wie unrecht gewesen ist, was er getan hat.
Die Geschichte hält mir den Spiegel vor. Ich frage mich, wo ich von anderen nehme und das Eigene schone. Da fallen mir die Schleuderpreise für Kaffee und Kakao ein. Lieber schonen wir unseren Geldbeutel als dass wir den Menschen im Süden einen gerechten Preis bezahlen, wozu uns die Weltläden mit ihren fair gehandelten Produkten einladen.
Wir schauen auf jede 50 Cent und fragen nicht nach den unmenschlichen Arbeitsbedingungen, unter denen unser neues T-Shirt hergestellt worden ist.
Und ich denke noch an etwas anderes.
Schiffsladungen voller Elektroschrott. Wir entsorgen ihn, und Jugendliche im Süden schlachten ihn aus und ruinieren damit ihre Gesundheit. Müssten sich nicht diejenigen um die einwandfreie Entsorgung kümmern, die den Müll verursacht haben? Ist es recht, dass wir hier in Europa unsere Umwelt schonen und unseren Müll anderswo entsorgen?
Heute wie damals bei Nathan sind solche Einsichten nicht angenehm, aber nötig, wenn sich irgendetwas bewegen und verändern soll.

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