Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Alle Jahre wieder...“, so dudelt es in der Weihnachtszeit in allen Kaufhäusern. Doch dieses nicht gerade tief schürfende Kinderlied spiegelt eine wertvolle Zeiterfahrung, die wir nicht missen wollen: Die ständige Wiederkehr der Jahreszeiten und der Ereignisse, die wir damit verbinden. Denn unser Leben ist ja eingebettet in die großen Kreisläufe der Natur, in Werden und Vergehen.

Alle Religionen und die alten Kulturen kennen diese „Kreislaufzeit“, die sich am Lauf der Gestirne orientiert. Die zyklische Zeiterfahrung vermittelt Ruhe, Gelassenheit und ein Gefühl von Geborgenheit. Es kommt ja doch alles, wie es kommen muss... Wer über Weihnachten und Neujahr ein wenig zur Ruhe finden und einen Blick in die Natur oder auf den Sternenhimmel werfen konnte, hat vielleicht erfahren, dass für Stunden oder Tage die Uhren anders gingen.

Inzwischen ist das neue Jahr schon mächtig in Fahrt und der Alltag hat uns wieder – mit seiner ganz anderen Zeit. Wie ein Pfeil im rasenden Flug, so fliegen unsere Tage dahin. Eine Zeiterfahrung, die Angst macht, denn jeder Tag kann der letzte sein. Zeit ist knapp und muss bewirtschaftet werden.

So ist die Zeit unter das Diktat der Ökonomie geraten: Zeit ist Geld! Das Kostbarste, was wir haben, nämlich unsere Lebenszeit, wird in Rendite umgesetzt. Seitdem leben und arbeiten wir ständig mit dem Zeiger im Genick. Hektik und ein immenser Stress sind der Preis. Selbst die letzten gemeinsamen Zeit-Nischen sind vor ökonomischer Verwertung nicht mehr sicher: Der gemeinsame Feierabend und der arbeitsfreie Sonntag.

Zwei unterschiedliche Zeiterfahrungen – die Kreislaufzeit und die Pfeilzeit - rivalisieren  unablässig in uns. Einerseits sehnen wird uns nach Ruhe und Geborgenheit und wollen andererseits in unserer knapp bemessenen Zeit optimale Ergebnisse erzielen. Wie geht das zusammen?

Der jüdisch-christliche Glaube weiß um diese Spannung, die unser Leben fast zerreißt. 

Versöhnung gelingt nur, wenn wir die Hetze des Alltags durch feste Zeiten, durch Feste regelmäßig unterbrechen. Unterbrechung – darin liegt der Sinn des jüdischen Sabbats und des christlichen Sonntags.

Morgen ist der zweite Unterbrecher-Tag, der zweite Sonntag in diesem Jahr. Versuchen Sie doch, den Rechner herunterzufahren! Wenn Sie sich Ruhe gönnen, werden Sie auch innerlich zur Ruhe kommen.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18979
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