SWR1 3vor8

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„Mein langer Lauf zu mir selbst“ – das war der Titel eines Buchs von Joschka Fischer als er gerade mal wieder eine seiner Abmagerungsphasen hinter sich hatte. Tägliches Lauftraining, joggen, Dauerlauf als Weg zur Selbstfindung. Natürlich hat Laufen mit einem selbst zu tun. Körper und Geist, Leib und Seele werden bewegt. Seit Jahrtausenden rennen die Menschen auf der Erde herum um fit und gesund zu sein. In einem der Texte, die heute in den Katholischen Kirchen gelesen werden geht es tatsächlich auch um das Laufen. Der Verfasser des Hebräerbriefs vergleicht den christlichen Glauben mit einem Wettlauf. Er schreibt:
“Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen der uns aufgetragen ist und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens.“
Warum eigentlich Wettkampf? Weil sich die Hebräer, an die sich dieser Brief richtet, schon durchsetzen mussten. Eine neue Religion im Umfeld einer alten, oft angefeindet, mit Identitätsproblemen und natürlich auch Konditionsschwächen auf einem Weg, auf dem sie doch die baldige Rückkehr ihres Meister erwartet haben. Er kam aber nicht mehr wieder! Auf jeden Fall nicht so wie sie es erwartet haben. Deshalb verlagert der Verfasser des Hebräerbriefs die Perspektive: Weg vom Ziel, der baldigen Rückkehr ihres Meisters, hin zum Weg, (also) zum Glauben an Jesus und seine Gegenwart durch diesen Glauben.
Und da passt das Bild vom Laufen ganz gut. Wie beim Laufen gibt es auch beim Glauben immer wieder Hänger, Zeiten der Schwäche und der Mühsal. Wie beim Laufen muss ich mir auch beim Glauben immer mal wieder einen Ruck geben, mich überwinden, zum Beispiel in die Kirche zu gehen, was mir aber dann doch immer wieder auch gut tut.
Wie beim Laufen brauch ich auch beim Glauben Ausdauer. Der Glaube ist kein Kurzstreckenlauf. Er ist die lange Strecke, die Strecke des Lebens mit allen Höhen und Tiefen. Und wie der Glaube ist das Laufen etwas ganz individuelles und höchst persönliches. Auch wenn ich in der Gruppe laufe, muss ich doch mein eigenes Tempo, meinen eigenen Rhythmus finden. Und wie beim Laufen nehme ich auch beim Glauben erst mal alles mit, was mich so an Gedanken und Gefühlen umtreibt. Aber nach und nach kann ich sie abwerfen, abschütteln, weglaufen oder wegmeditieren. Und mich bestenfalls selbst dabei vergessen. Ganz weg und dadurch ganz bei mir sein. Und wenn es gut läuft - beim Glauben wie auch beim Laufen, dann bin ich hinterher erfrischt und irgendwie lebendiger an Leib und Seele. Einen guten Sonntag wünsch ich Ihnen! https://www.kirche-im-swr.de/?m=1896
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