Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“. Das ist ein besonderes Gebot unter den Zehn Geboten in der Bibel. Denn als einziges hat dieses vierte Gebot ein Versprechen mit dabei: „Wenn du das tust“, heißt es da, „wird es dir gut gehen“. (5. Mose 5,16)
Warum hat ausgerechnet das Elterngebot dieses Versprechen? Vielleicht weil es gar nicht so einfach, ist Vater und Mutter zu ehren. Und das Versprechen soll einen dazu motivieren, es trotzdem zu tun: „Mach das mal, es lohnt sich“.
Vater und Mutter ehren. Damit war ursprünglich etwas ganz Handfestes gemeint: Als die Zehn Gebote aufgeschrieben wurden, da gab es weder Renten- noch Pflegeversicherung. Die einzige Altersvorsorge, die man damals treffen konnte, war es, Kinder zu bekommen. Das Gebot „Ehre deinen Vater und deine Mutter“ sollte die Kinder daran erinnern, sich um die Eltern zu kümmern, wenn sie das nicht mehr selber konnten. Aber ich denke, neben diesem wirtschaftlichen Aspekt meint „Vater und Mutter ehren“ auch die Dankbarkeit und Wertschätzung den eigenen Eltern gegenüber. Wenn Kinder das tun, dann ehren sie ihre Eltern.
Und sie tun sich damit auch selbst einen Gefallen. Denn wer ich bin und wie ich bin, das habe ich in ganz wesentlichen Teilen meinen Eltern zu verdanken. Ich hab ihre Gene und bin von ihnen erzogen worden. Das prägt natürlich. In gewissem Sinne leben meine Eltern in mir fort.
Wenn ich also meine Eltern ehre, dann ehre ich mich damit auch selbst. Wenn ich mit meinem Vater und meiner Mutter versöhnt bin, dann bin ich auch mit mir selber versöhnt. Wenn ich meine Eltern lieben kann, dann kann ich mich auch selbst lieben. Und Umgekehrt: Wenn ich meinen Vater oder meine Mutter ablehne, dann lehne ich mich zu einem Teil auch selbst ab.
Nur: Manchmal fällt es sehr schwer, die Eltern zu ehren. Nämlich dann, wenn man den Eindruck hat, dass der Vater oder die Mutter einem mehr Lasten als Unterstützung auf den Lebensweg mitgegeben hat. Soll man seinem Vater oder seiner Mutter dafür dankbar sein, dass sie sich nicht gekümmert, einen allein gelassen oder sogar verletzt haben? Natürlich nicht.
Vater und Mutter ehren heißt dann aber vielleicht, zu unterscheiden: Nicht die negativen Erlebnisse unter den Tisch zu kehren, aber auch nicht den ganzen Menschen abzulehnen. Und ich kann versuchen zu verstehen, warum mein Vater oder meine Mutter so geworden ist. Was sie von ihren Eltern mitbekommen haben und wie sie damit umgegangen sind. - Ich denke, wenn mir das gelingt, dann ehre ich auch meine Eltern. Und ich gehe einen wichtigen Schritt auf dem Weg, mich selbst anzunehmen.

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