Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die vaterlose Gesellschaft. So nennen manche Sozialwissenschaftler den Zustand westlicher Nationen. Die Männer bilden zwar auch dort die Hälfte der Bevölkerung. Und es gibt logischerweise genauso viele Väter wie Mütter. Aber dann verschwinden in vielen Fällen die Männer von der Bildfläche. Sie sehen ihren Schwerpunkt im Beruf. Sie gehen nicht zu den Elternabenden. Sie überlassen die Erziehung den Frauen. Und auch im übertragenen Sinn sind Väter Mangelware. Im Kindergarten, in der Grundschule, da wären Männer wichtig, gerade als Gegenüber für die heran wachsenden Jungs. Aber es gibt kaum welche. In einem Kinderhaus, das ich gut kenne, gab es gerade mal einen Mann neben zwanzig Erzieherinnen. 

Es scheint so, als würde die Bibel diesen Zustand auch noch bestätigen. Bereits vor zweitausend Jahren. Jesus kommt ohne Vater zur Welt. Nein, er hat natürlich Gott zum Vater. So sagt es die hohe Theologie. Aber keinen natürlichen, keinen menschlichen. Denn Josef scheidet ausdrücklich aus. Er ist zwar der Verlobte von Maria. Aber für die echte Vaterschaft kommt er nicht in Betracht. Er wird regelrecht ausgebotet, weil Jesus eine göttliche Herkunft haben muss. Es ist ja ein Gotteskind, das da im Stall von Betlehem geboren wird. Wahrer Mensch und wahrer Gott sagt das Glaubensbekenntnis. Und da wäre ein menschlicher Vater dann doch des Guten viel zu wenig. 

Und Josef? Im Vergleich mit Maria spielt er zwar immer die zweite Geige – auch an Weihnachten. Trotzdem übernimmt er sehr wichtige Aufgaben. Und die werden in der Bibel nicht verschwiegen. Josef weicht der jungen Frau nicht von der Seite. Dass seine Verlobte auf unerklärliche Weise plötzlich schwanger geworden ist, und nicht von ihm, steckt er weg. Auch nach der Geburt von Jesus sorgt Josef für Mutter und Kind. Im Hintergrund, ohne Aufhebens tut er das. Die Bibel berichtet, dass er sich dabei Weitblick bewahrt und ein religiöses Gespür, was zu tun ist, wenn Gefahr droht. Die kleine Familie muss fliehen; und Josef weiß den Weg. 

Wie Josef sich da in seine Rolle fügt, das verdient Respekt. Mehr noch. Es ist unheimlich wohltuend, wie er mit seiner Rolle als Mann, mit den Erwartungen an ihn umgeht. Josef macht nicht auf Macho und großes Familienoberhaupt, sondern ist als Mann da, wenn er gebraucht wird. Dann packt er an, hat einen Plan und zeigt auf sympathische Weise Stärke. Das hat doch richtig viel Väterliches. Und es ist eine Weihnachtsbotschaft an alle Männer. 

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