Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was soll ich von Bathseba halten? Das frage ich mich immer, wenn ich an sie denke. So wie jetzt, in der Adventszeit. Bathseba ist eine von den wenigen Frauen im Stammbaum von Jesus. Und wenn ich in der Adventszeit an ihn und seine Geburt denke, dann fällt mir manchmal auch Bathseba  ein. Warum hat der Evangelist Matthäus ausgerechnet sie erwähnt und nicht eine von den ehrwürdigen Stammmüttern Israels? Warum ausgerechnet Bathseba, die Leonhard Cohen in seinem legendären Song „Halleluja“ besungen hat? Ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll.
Hier ist ihre Geschichte (2. Sam 11):
Der große König David beobachtet sie beim Baden. Er lässt sie in seinen Palast holen und als sie wieder geht, ist Bathseba schwanger. Aber sie war ja eigentlich verheiratet und David versucht, die Sache zu vertuschen. Schließlich lässt er ihren Mann sogar aus dem Weg räumen. Da war Bathseba das Opfer eines Mannes, der sich und seine Triebe nicht im Griff hat. Solche Geschichten gibt es millionenfach. Und oft enden sie sehr viel tragischer als für Bathseba.
Denn ihre Geschichte geht weiter. David bereut, was er getan hat und heiratet Bathseba. Er macht sie zu seiner Lieblingsfrau. Damit wird sie die Chefin in seinem Harem. Bathseba war nun eine mächtige Frau. David hat angeblich 1000 Frauen gehabt. Auch wenn das vielleicht übertrieben ist: Es waren sicher viele und ich möchte nicht wissen, wie viele Kinder er gehabt hat. Über diese Riesenfamilie war Bathseba nun die Herrscherin. Und sie setzt alles daran, ihre Macht zu erhalten. Sie überredet am Ende mit List und Tücke den alten König, ihren Sohn zum Thronfolger zu machen, obwohl andere vor ihm kämen. So bleibt auch ihre Stellung als Königinmutter erhalten. Ob das rechtens ist, scheint ihr egal zu sein.
Was ist nun diese Bathseba für eine Frau? Opfer einer Vergewaltigung? Eine Frau, die Genugtuung will für erlittenes Unrecht? Eine Mutter, die alles für ihren Sohn tut? Eine gerissene Strippenzieherin, die ihre Macht erhalten will? Und warum findet sich so eine Gestalt im Stammbaum von Jesus?
Wenn ich es recht überlege, ist sie wohl von allem etwas. So wie ganz viele. In jedem Leben gibt es Licht und Schatten. Kaum einer ist nur gut oder nur böse. Jesus hat das verstanden, glaube ich. Er hat den Opfern geholfen, sich aufzurichten. Er hat den Tricksern und Betrügern geholfen, ihr Leben zu ändern. Er hat die Menschen gesehen, wie sie sind. Mit ihren Licht- und mit den Schattenseiten. Und hat jedem angeboten, neu anzufangen. Den Opfern und den Tätern und Täterinnen. Solchen, wie seiner Urahnin Bathseba.

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