SWR1 3vor8

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„Der goldgekrönte Christus“, so heißt ein koreanisches Theaterstück. Da steht vor einer Kirche eine Jesusstatue aus Zement mit einer Krone aus echtem Gold. Bettler sitzen davor. Ein Priester und ein Geschäftsmann gehen achtlos vorbei, ein Polizist versucht sogar, die Bettler zu vertreiben. Einer der Bettler fängt an, auf die Statue zu schimpfen: „Was für eine Verwandtschaft kann zwischen diesem Zementklotz und mir bestehen?“ Er greift nach der Goldkrone und versucht sie zu stehlen. Da beginnt die Statue zu weinen. Sie sagt zum Bettler: „Du hast mich aus meinem Gefängnis befreit! Nimm die Goldkrone! Für mich ist eine Dornenkrone gut genug! Nimm das Gold, und verteile es!“ Das Stück endet damit, daß der Priester, der Geschäftsmann und der Polizist zurückkehren, dem Bettler die Krone entreißen und ihn verhaften. Jesus wird wieder zu ausdruckslosem Stein.[1]

Für mich trifft dieses Theaterstück das Herz des Evangeliums. Es bringt auf den Punkt, was auch im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums pointiert gesagt wird. Da identifiziert sich Jesus mit Menschen, die hungern, dürsten, nichts zum Anziehen und kein Dach über dem Kopf haben, mit Fremden, Kranken und Gefangenen. Er sagt den Leuten: „Was Ihr einem von denen getan habt, das habt Ihr mir getan.“ „Und was ihr einem von denen nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Er sagt nicht: Das habt Ihr für mich getan, sondern viel stärker, viel direkter: das habt ihr mir getan. Jesus selber begegnet uns in den Hungernden, heißt das, in den Dürstenden, Kranken, Fremden. Ich kann das schwer begreifen. Aber ich versuche immer wieder, so zu handeln, zusammen mit vielen andern. Mit Frauen und Männern in Tafelläden, mit Gefängnisseelsorgern und Sternsingern, mit Gruppen, die Flüchtlinge begrüßen. Damit Menschen geholfen wird und damit wir Jesus nicht bloß auf den Sockel stellen.



[1]  vgl. Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus I/3 Zürich 1997, 523 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18729
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