Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wenn du wissen willst, wie Gott ist, schau in den Spiegel.“ Als ich diesen Satz zum ersten Mal hörte, war ich verblüfft.
Ich kenne natürlich den Anfang der Bibel, in dem es heißt, dass Gott den Menschen als sein Abbild schuf. Aber das heißt doch nicht, dass ich wie Gott aussehe oder gar so bin wie er. Mir fallen da viele Eigenschaften an mir ein, die so ganz und gar nicht göttlich sind.
Die Menschen in der Antike hätten so einen Satz vermutlich verstanden. Wenn sie Bilder malten, dann haben sie einen Menschen nicht eins zu eins abgebildet. Die Bilder waren keine Kopie, sondern sie haben einen Zugang zu dem Motiv eröffnet.

Bei uns ist das heute anders: Wenn wir ein Foto machen, dann soll das Motiv möglichst realistisch abgelichtet werden. Je besser die Kamera und die Auflösung, desto besser das Bild. Den Menschen damals ging es um etwas anderes. Sie haben im Bild etwas vom Wesen des Abgebildeten erkannt.

Bild Gottes zu sein, heißt dann, dass von Gott etwas sichtbar wird. In jedem Menschen steckt etwas Göttliches, dass ihn mit Gott verbindet. Die Fähigkeit zu denken und zu fühlen, kreativ zu sein und auch, dass ich andere Menschen lieben kann. Da werde ich Gott sehr ähnlich.  

So verstanden, stimmt der Satz. „Wenn du wissen willst, wie Gott ist, schau in den Spiegel.“
Konkret zeigt sich das darin, wie ich mit den Menschen umgehe, die jeden Tag um mich sind. Zugegeben, bei manchen fällt es mir schwer, Gottes Bild in ihnen zu erkennen. Doch wenn ich Gott und seine Botschaft ernst nehme, dann gehört es dazu, mich ein wenig anzustrengen, um das Gute im anderen zu suchen und nicht nur auf das zu schauen, was so ganz und gar nicht göttlich ist.

So wird jeder Mensch wertvoll und ich kann etwas von seiner einzigartigen Würde sehen. 
Wenn ich mich daran erinnere, dass jeder Mensch Gottes Bild ist, dann verändert das auch meinen Blick auf alle Menschen. Dann kann mir das Schicksal der Menschen in Syrien, dem Nordirak, in Lampedusa oder im Nahen Osten nicht egal sein. Ich bin auch für sie verantwortlich – im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Und indem ich Gottes Bild in jedem Menschen suche, werde ich auch selbst Gott ähnlicher, und in mir wird mehr vom Original sichtbar.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18694
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