Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen“ Gefällt mir sehr, dieser japanische Spruch. Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen. Der Mensch ist ein Grenzwesen in doppelter Hinsicht, ein Wesen zwischen Bestie und Engel, das grausam töten kann, aber auch unendlich lieben. Und ein Wesen, das begrenzt ist. Leider und Gott sei Dank. Der Mensch – ich, Sie, wir haben Grenzen, körperliche Grenzen, trotz allem Doping. Und seelische Grenzen, Grenzen der Belastbarkeit, die signalisieren, wann es uns zuviel ist. Trotzdem ist es auch immer wieder gut Grenzen zu überschreiten. Nicht dauerhaft, aber immer wieder mal. Den Blick heben und über den Tellerrand rausschauen. Das kann und muss manchmal im Urlaub sein. Das kann und muss gerade auch immer wieder im Alltag sein, dass ich den Blick hebe und über das hinwegsehe, was mich umstellt, über all das hinausschaue, was mir den Horizont, die Weite verstellt.
Den Blick heben – das ist oft leichter gedacht als getan. Wenn Traurigkeit meinen Blick nach unten drückt und ich gar nichts mehr sehen will. Wenn Erfolgsdruck, Stress oder einfach nur das nächste Ziel meinen Blick nach vorne lenkt, immer nur nach vorne lenkt. Dann vergisst man den Blick nach oben oder man kommt einfach nicht dazu.
Den Blick heben, nach oben schauen, das passiert nicht von selbst. Dazu muss ich mich immer wieder erinnern oder auch andere daran erinnern. Und ich muss mir den Rahmen dazu schaffen. Ganz konkret und banal indem ich auf einen kleinen Hügel steige und von dort aus wieder ein bisschen mehr den Überblick bekomme.
Den Blick heben kann ich auch wenn ich vom Computer oder vom Fließband weg immer wieder in Augen schaue, in menschliche Augen, die mir gut, sympathisch sind oder mich lieben. Dann weitet sich nicht nur der Blick, sondern auch das Herz.
Den Blick heben und die Seele weiten fällt mir im Sommer besonders leicht. Wenn ich in den Himmel schaue, in knuffig strahlend weiße Sommerwolken und endloses Blau. Ein Blau, das wie Sehnsucht ist, eine Sehnsucht, die mich zieht, hineinzieht in eine Art Vor-ahnung, in eine Art Vorgeschmack auf die ganz andere Welt , die unfassbare, unendliche Welt – ohne Grenzen.
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