Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Von „Sternstunden“ reden die Kollegen Journalisten immer mal wieder. Sie sprechen von Sternstunden, wenn im Deutschen Bundestag ohne Fraktionszwang über die existentiellen Fragen des Lebens diskutiert wird. Wenn es nicht um Macht, Strategie oder Kalkül geht, sondern ums persönliche Gewissen, das an keine Partei oder Fraktion gebunden ist. Heute könnte eine solche Sternstunde sein. Denn heute wird im Deutschen Bundestag über die Sterbehilfe diskutiert. Im Kern geht es darum, ob der Staat es erlauben darf, dass ein Angehöriger oder Arzt einem Menschen, der unheilbar krank ist und unter großen Qualen leidet, helfen darf, sein Leben zu beenden. Heute wird diskutiert. Mit einem Gesetz ist vor Herbst 2015 nicht zu rechnen. Und das ist auch gut, dass sich der Bundestag für solch eine weitreichende Frage genügend Zeit nimmt. Und sich mit den vielen Fragen beschäftigt, die hinter der Kernfrage stehen. Von meinem hoch geschätzten Ethiklehrer Alfons Auer habe ich gelernt, dass es ethisch wichtiger ist die richtigen Fragen zu stellen, als schnelle Antworten zu geben. In diesem Sinne möchte ich zum Thema Sterbehilfe Fragen stellen, Fragen, die mich persönlich beschäftigen. Meine erste ist religiöser Natur: Ich habe nicht bestimmt, wann ich in dieses Leben gekommen bin, darf ich selbst bestimmen wann ich aus ihm gehe? Meine zweite Frage richtet den Blick auf unsere Gesellschaft: Wie geht eine Gesellschaft mit der – sicher gut gemeinten – Hilfe zum Sterben um, in der vor 70 Jahren Menschen massenhaft getötet wurden, wenn sie krank oder behindert waren? 
Und was bedeutet die Tatsache, dass unsere Gesellschaft immer älter wird und alte Menschen ein immenser Kostenfaktor sein werden? Meine dritte Frage beschäftigt sich mit den Ärzten. Welche Last haben sie zu tragen, wenn es eine gesetzlich geregelte Erlaubnis gibt Menschen zum Tod zu verhelfen? Und welche Last der Verantwortung haben sie, wenn es keine Regelung gibt? Und meine letzten Fragen richten sich an uns alle: Was bedeutet geistiger und körperlicher Verfall für uns? Ist Leben nur wertvoll wenn man gesund ist und klar im Kopf? Wieviel Angst haben wir vor dem Sterben, dem eigenen und dem der anderen? Und wie gehen wir mit dieser Angst um? Schwere Fragen, ich weiß. Aber um schwere Entscheidungen treffen zu können muss man sich auch schweren Fragen stellen. Was dann Sternstunden sein können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18616
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