Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn das Leben einen umgehauen hat und man nicht mehr auf die Füße kommt – was dann? Vielleicht hat eine Scheidung alle Pläne zunichte gemacht und jetzt kann ein Mann sich nicht vorstellen, neu anzufangen. Eine junge Frau ist wie gelähmt von der Angst, den Erwartungen der Eltern nicht zu genügen. Ein junger Mann ist fixiert auf seine Minderwertigkeitskomplexe: Was, wenn ich das nicht schaffe, was ich mir vorgenommen habe?
Die Bibel erzählt, wie so ein Gelähmter wieder auf die Beine kommt. Jesus, heißt es, trifft in einer Art Pflegeanstalt einen Gelähmten. Wer weiß, was ihn dort festhält. Wer weiß, was ihn lähmt. Jedenfalls wartet er auf seine Therapie: Es gibt dort einen Wasserbecken und wenn das Wasser sich bewegt, dann wird der gesund, der zuerst hinein steigt. Aber, wie soll ein Gelähmter das schaffen? Er hat keinen, der ihm helfen könnte. Und so viele, die geheilt werden wollen.
Jesus, heißt es dann ausdrücklich, sieht hin. Sieht genau hin. Er sieht, dass sie den Mann festgelegt haben. Er braucht Schonung, haben sie gesagt, man muss ganz vorsichtig mit ihm umgehen. Bloß nicht zu viel von ihm verlangen. Das schafft er nicht.
So hat der Mann sich dann eingerichtet in der Fürsorge der anderen, die sich um ihn kümmern. Sie trauen ihm nichts zu.  Wie sollte er sich da selbst etwas zutrauen? Jetzt ist er fixiert auf dieses Wunderwasser. Aber das kann er nicht erreichen. Vielleicht ist er inzwischen sogar froh darüber.
Und Jesus? Der sieht ihn, redet kurz mit ihm. Und dann sagt er etwas, da haben sich den Betreuern dort wahrscheinlich die Haare gesträubt. Wie kann er nur. Womöglich macht er alles noch schlimmer.
Aber Jesus hat ja genau hingeschaut. Es wäre sicher nicht für jeden das Richtige, was er jetzt tut. Jesus sagt zu diesem Mann: Steh auf, nimm dein Bett und geh. Und es zeigt sich: Für diesen jedenfalls ist das keine Überforderung. Eine Herausforderung, das wohl. Vielleicht braucht es die manchmal. Eine Herausforderung, mit der Jesus dem Mann seine Möglichkeiten zeigt. Er kann sich selber helfen. Er muss nicht bloß auf dieses Heilwasser warten. Er muss nicht hoffen, dass die anderen ihn ins Leben hinein tragen. Er kann selbst etwas. Vielleicht nicht genau das, was er sich erträumt hat. Sicher nicht das, woran er schon einmal gescheitert ist. Womöglich nicht das, was andere von ihm erwarten. Aber er kann etwas. Er hat Fähigkeiten. Er hat Möglichkeiten. Eigene Kraft – wenn er sich bloß nicht festnageln lässt auf das, was war. Wenn er sich  nicht bloß darauf festlegen lässt, dass er ein Versager ist. Der Mann steht auf und geht los. Schritt für Schritt. Er wird seinen Weg finden.

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