Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„So will es Gott und ich habe keine andere Wahl“. Wer so denkt, der wird leicht zum Fanatiker, manchmal sogar zum Terroristen.
So wie Paulus zum Beispiel, der in seinem ersten Leben Saulus hieß und ein fanatischer Verfolger der ersten Christen war. Und das nur, weil er gemeint hat, er weiß ganz genau, was Gott will.
Dann aber hat er unerwartet erfahren, dass man vieles in den Heiligen Schriften auch anders verstehen kann. Es kommt immer darauf an, wie man es auslegt und versteht. Und dabei hat Gottes Geist seine Hand im Spiel und oft kommt es auch darauf an, wie man erzogen wurde, was man von anderen gelernt hat oder in welcher Situation man lebt.
Aus Saulus, dem fanatischen Christenverfolger, wurde dann Paulus, der Apostel. Seine Briefe stehen jetzt in der Bibel und helfen vielen, ihren christlichen Glauben besser zu verstehen. Darin mahnt er die Christen: „Prüfet alles, aber das Gute behaltet“. Denn er hatte begriffen, dass man die biblischen Schriften verschieden verstehen kann. Das ist in den Schriften schon so angelegt: „Eines hat Gott geredet“, heißt es in einem Psalm der Bibel, „ein Zweifaches habe ich gehört“. Gott redet mit jedem Menschen auf seine Weise, je nachdem, wie ein Mensch es braucht. So verstehe ich das.
Heute sehen wir mit Entsetzen die islamistischen Terroristen. Fast täglich hört man von ihren Bluttaten in den Nachrichten. Auch sie sind fest überzeugt: So will es Gott und ich habe keine andere Wahl. Dabei kann man auch den Koran verschieden auslegen. Manche Gelehrten sagen, wer zum Märtyrer für den Glauben wird, der kommt ins Paradies. Und andere sagen: Selbstmord ist eine schwere Sünde und keiner, der sein Leben wegwirft, kann mit dem Paradies rechnen. Für beides finden sich anscheinend Schriftstellen im Koran.
Ist also alles unsicher und es gibt gar keinen Maßstab für das, was gut und richtig ist? Das wäre schwer auszuhalten. Ich als Christin glaube deshalb, Jesus Christus ist der Maßstab, an dem sich die Bibel messen lassen muss. Und der hat die Barmherzigen und die Friedensstifter selig gesprochen. Für mich ist das ein guter Maßstab. Ganz ähnlich beginnt übrigens der Koran: „Im Namen Gottes, der Allerbarmers, des Allbarmherzigen“. Barmherzigkeit ist gewissermaßen die Überschrift   für alles, was Gott will. Terror und Gewalt und Krieg im Namen Gottes des Allbarmherzigen dürften dann eigentlich nicht sein. Für die meisten Muslime ist das selbstverständlich, scheint mir. Vielleicht sollten wir diese Gemeinsamkeit stark machen. Damit die Fanatiker keine Chance haben.   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18595
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