Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Eine etwas überzogene Geschichte, die aber wahr sein könnte: Der Ehemann sitzt beim Frühstück in seine Zeitung vertieft. „Aber Horst“, ruft die Ehefrau plötzlich „musst du heute gar nicht ins Büro?“ „Oh“, fährt er erschreckt auf „ich dachte die ganze Zeit, ich sei schon dort.“
Ganz schön doppelbödig diese Geschichte. Der Mann scheint nicht gerade den Super-stressjob zu haben, so dass er im Büro auch Zeitung lesen kann. Bedenklich erscheint mir an dieser Geschichte aber, dass der Mann seine Frau nicht mehr wahrnimmt, ja nicht einmal mehr wahr nimmt wo er ist. Ob Arbeitsplatz oder Frühstückstisch, er nimmt seine Umwelt nicht mehr wahr.
Kenn’ ich, vom Frühstückstisch und vom Arbeitsplatz. Alltag eben. Wenn ich in die Zei-tung vertieft die Kinder nur am Rande wahrnehme, ihnen ein „guten Morgen“ brummele und die Backe zum Kuss hinhalte. Ich kenn’s aber auch positiv, wenn ich in der Arbeit so richtig in etwas drin bin, dann kann ich schon mich und die Welt vergessen und in das, was ich so tue so richtig einsinken. Gefährlich wird es aber, wenn ich aus diesem Zustand nur mehr schwer rauskomme. Daddeln nenne ich das dann. Ich verdaddle, verlier mich in jedem Detail und werde immer langsamer und ineffektiver. Da ist es gut, wenn mich et-was oder jemand aus diesem verdaddelten Zustand rausholt. Genau so wichtig wie dass meine Frau und meine Kinder mich immer wieder hinter der Zeitung hervorholen und meine Aufmerksamkeit, meine Achtsamkeit auf sie ziehen.
Achtsam sein heißt die Menschen und mich selbst wahrnehmen. Achtsam sein heißt auch die Menschen achten. Durch meine Aufmerksamkeit respektieren. Denn der Alltag ist gefährlich. So wichtig Routine ist, so nötig die immer selben routinierten Abläufe, die Menschen um mich herum dürfen nie zur Selbstverständlichkeit werden. Nicht zum Ein-richtungsgegenstand meines Lebens werden. Denn dazu sind die Menschen um mich herum zu kostbar. Und dazu ist auch das Leben zu kostbar. Der Alltag darf nicht zu lange zu routinemäßig sein. Er muss immer wieder unterbrochen werden, damit ich weiß wo ich bin, wer ich bin und wozu ich eigentlich da bin. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1859
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