Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es gibt Geschichten in der Bibel, die schwer verdaulich sind. Eine davon ist für mich das Gleichnis von den Talenten im Matthäusevangelium.  „Talente“  sind hier eine Geldwährung.

Ein Mann geht auf Reisen und vertraut seinen Dienern sein Vermögen an. Dem einen gibt er fünf Talente Silbergeld – das wäre heute umgerechnet über eine Million Euro - , einem anderen zwei, dem dritten eines – je nachdem was er ihnen zutraut. Die beiden ersten wirtschaften mit den Talenten und verdoppeln sie. Der dritte hat Angst, er könnte das Geld verlieren. Deshalb vergräbt er sein Talent im Boden. Als der Mann zurückkommt, lobt und belohnt er die beiden Tüchtigen. Denjenigen, der ihm zwar das eine Talent zurückbringt, aber nichts aus ihm gemacht hat, beschimpft er und wirft ihn hinaus.

Meine erste Reaktion: Das ist ganz schön brutal –

Dann überlege ich weiter: was könnte mit diesem Gleichnis gemeint sein? Ich glaube weniger, dass es darum geht Geld zu vermehren, sondern darum, aus dem was ich habe an Fähigkeit und Leben, etwas zu machen. Meine Talente einzubringen in die Welt, und sie nicht zu verbuddeln oder unter den Scheffel zu stellen. Da nützen sie niemandem.

Erich Fried hat das in einem seiner Texte einmal folgendermaßen ausgedrückt:

Auch ungelebtes Leben
Geht zu Ende
Zwar vielleicht langsamer
Wie eine Batterie in einer Taschenlampe
Die keiner benutzt.

Aber das hilft nicht viel:
Wenn man (sagen wir einmal) diese Taschenlampe

Nach so und so vielen Jahren anknipsen will
Kommt kein Atemzug Licht mehr heraus

Und wenn du sie aufmachst
Findest du nur deine Knochen

Und falls du Pech hast
Auch diese
schon ganz zerfressen 

Da hättest du
genauso gut
Leuchten können! 

Da hättest Du genauso gut leuchten können. Das ist es. Da ist was Wahres dran. Es hilft nichts und niemandem, wenn ich, das was ich bin und habe nicht in diese Welt einbringe. Sei es weil ich zu bescheiden bin oder Angst habe, was falsch zu machen.

Und so wünsche ich uns an diesem Morgen den Mut, unsere Talente nicht zu verbuddeln - sondern das, was in uns steckt, füreinander zum Leuchten zu bringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18575
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