Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Versprich mir, bei meiner Beerdigung nicht zu weinen“, wünscht sich der Großvater von seiner Enkelin. Er ist krank und alle wissen, dass er bald sterben wird. Das junge Mädchen hängt sehr an ihrem Opa und natürlich verspricht sie, seinen letzten Willen zu erfüllen. Und dann, auf dem Friedhof bei der Beerdigung des Großvaters, vergießt sie wirklich keine einzige Träne. Mit all ihrer Kraft hat sie um ihre Trauer eine innere Mauer aufgebaut. Unglaublich gefasst übersteht sie die Beerdigung.
Wahrscheinlich war es für den Großvater eine schreckliche Vorstellung, dass sein geliebtes Enkelkind um ihn weint. Er wollte nicht, dass sie trauert. Er wollte ihr vermutlich den Abschied leichter machen. Aber in Wirklichkeit hat er alles nur viel schwerer gemacht. Was sie versprochen hat, ist fast über die Kräfte des jungen Mädchens hinausgegangen.
Manchmal hat der letzte Wille eines Menschen ja eine große Kraft zum Guten. Z.B. wenn zerstrittene Geschwister der Mutter am Sterbebett versprechen, in Zukunft wieder miteinander zu reden. Oder wenn ein Mann seinem Freund verspricht, der Witwe zu helfen und sich um das verwaiste Kind zu kümmern.
Doch ich finde, man sollte einem Menschen vor seinem Tod wirklich nur das versprechen, was man auch wirklich halten kann und will. Und man sollte auch anderen Menschen helfen, nur das zu versprechen, was sie wirklich halten können. Vielleicht sollten wir auch in solchen Situationen einfach rechtzeitig miteinander sprechen. Erfragen, was dem anderen wirklich hilft. Nicht voraussetzen, dass man das selber am besten weiß. So kann man in Erfahrung bringen, was man sich und dem anderen wirklich zumuten will.
In der Bibel steht eine Geschichte, die zeigt, wie ein letzter Wille aussehen kann. Als Jesus starb, hat er seinen Lieblingsjünger gebeten, sich um seine Mutter zu kümmern. Und ihr hat er gesagt, dass sein bester Freund ihr nun beistehen wird, wie ein Sohn. Die zwei sollten sich gegenseitig stützen, auch in ihrer Trauer.
Diese biblische Geschichte hat mir gezeigt, ein letzter Wille ist dann sinnvoll, wenn er das Wohl der Hinterbliebenen im Auge hat. Wenn er ihnen dabei hilft, alleine weiter zu leben. Und wenn er hilft, aus der Trauer in Leben zurück zu finden.
Zum Glück hat damals jemand das junge Mädchen nach der Beerdigung ihres Großvaters in den Arm genommen und hat ihr geholfen, doch noch zu weinen. Auch gegen den Willen des Großvaters.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18496
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