Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Männer sind im Kommen – und zwar in der häuslichen Pflege eines Familienmitglieds. Traditionell war die Pflege eine reine Frauensache. Aber die Männer legen zu. Heute pflegen in Deutschland 1,5 Millionen Männer ein Familienmitglied zu Hause. Sie haben sich in ein traditionelles Frauengebiet vorgewagt und sie machen es gut. Auch, wenn sie manches vielleicht anders machen.
Hermann zum Beispiel profitiert von seiner Berufserfahrung als Lehrer. Früher hat er Stundenpläne erstellt, heute managt er den Wochenplan seiner gelähmten Ehefrau. Jeden Tag schiebt er sie im Rollstuhl eine halbe Stunde an die frische Luft. Freitags kommt die Friseurin ins Haus zum Haare waschen. Montags der Physiotherapeut, mittwochs die Nachbarin für zwei Stunden. In dieser Zeit geht er im Supermarkt einkaufen. Auch das Kochen, Waschen und Putzen hat er im Griff. Sogar an einen freien Nachmittag für sich selbst hat er gedacht. Da kommt dann die Nachbarschaftshilfe.
Noch hat er alles ganz gut im Griff, sagt Herrmann, noch wird es ihm nicht zu viel. Er will seine Frau zu Hause pflegen solange es geht. Warum er das tut? Aus Dankbarkeit, sagt er. „Sie hat damals meine Eltern gepflegt. Das gebe ich ihr jetzt zurück. Und außerdem haben wir uns das versprochen, damals in der Kirche bei unserer Trauung,- füreinander da zu sein in guten und in schweren Zeiten. Wir hatten viele gute Zeiten. Jetzt sind die schweren Zeiten da. Und die werden wir mit Gottes Hilfe auch schaffen. Der Segen, damals vor 40 Jahren bei unserer Trauung in der Kirche, der gilt ja nicht nur für die Flitterwochen, sondern auch für die schweren Zeiten“.
Herrmann müsste seine Frau nicht pflegen. Niemand würde ihn kritisieren oder ihm einen Vorwurf machen, wenn er seine Frau in die Obhut eines Pflegeheims geben würde. Aber weil er sie pflegt, bekommt er viel Lob. Mehr vielleicht, als eine Frau es bekommen würde.
Es hat einige Zeit gedauert, bis Männer sich getraut haben, Babys zu wickeln und öffentlich einen Kinderwagen zu schieben. Heute ist das ein selbstverständlicher Anblick. Dass es bald mit der Pflege eines Angehörigen genau so sein wird – das ist mehr als eine Hoffnung. Die 1,4,Millionen pflegenden Männer zeigen heute schon, dass das geht.

Literaturempfehlung: Eckhart Hammer, Unterschätzt: Männer in der Pflege, Was sie leisten und welche Unterstützung sie brauchen, Freiburg, 2014.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18495
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