Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der Tod kommt auf die Tagesordnung. In den nächsten Wochen verhandelt der Bundestag die Frage: Soll Beihilfe zum Suizid verboten werden oder ist sie in Ausnahmen weiter erlaubt?
Dafür muss man wissen, dass Beihilfe zur Selbsttötung zur Zeit in einer Grauzone liegt. Es gibt die passive Sterbehilfe, bei der auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet wird, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht. Und es gibt die aktive Sterbehilfe. Hier wird der Tod des todkranken Patienten aktiv herbeigeführt. Passive Sterbehilfe ist erlaubt, aktive Sterbehilfe ist verboten, auch wenn sie dem Patientenwunsch entspricht.
Die Frage ist nun: Soll das auch für die Beihilfe zum Suizid gelten? Hier wird ja auch ein Mittel zur Verfügung gestellt, mit dem der Patient sich dann selbst tötet. Und weil das nicht strafbar ist, ist es die Beihilfe dazu bisher auch nicht. Ein Freibrief für Organisatio­nen, die todkranken Menschen gegen Geld Medikamente zur Selbsttötung anbieten. Deren Geschäftsgebaren soll auf jeden Fall verboten werden – darin sind sich die Abgeordneten einig. Was aber ist, wenn Freunde oder Angehörige oder Ärzte Hilfe zum Sterben leisten?
Welche Kriterien sollen die Abgeordneten für ihre Entscheidung zugrunde legen? Vielleicht die Meinung der Bevölkerung? Dann müsste zumindest die ärztliche Hilfe zum Suizid erlaubt werden, denn darauf möchte 70 Prozent der Deutschen im Notfall zurückgreifen können. Oder soll die Meinung der Ärzte zählen? Die verstehen sich als Anwälte für das Leben und fordern deshalb bessere Schmerztherapien, mehr Hospize, aber keinen Freibrief für Sterbehilfe.
So sieht das auch die Evangelische Kirche. Sie sagt: „Das Leben ist ein Geschenk. Und dieses Geschenk sollte der Mensch nicht selbst an Gott zurückgeben.“ Das klingt klar und einfach. Ist es aber nicht.
Jeder, der schon einmal einen todkranken Menschen begleitet hat, weiß wie schwer es ist, ein langes Sterben, ein langes Leiden auszuhalten: für die Ärzte, für die Angehörigen und natürlich für die Patienten selbst. Der Tod steht vor der Tür, man kann ihn schon greifen, aber er lässt sich Zeit - manchmal viel zu lange. Oft hilft es den Sterbenden, wenn sie darüber klagen, wenn sie Gott laut anklagen dürfen. Oft hilft es, wenn ihre Angehörigen das mit aushalten und ihnen immer wieder sagen und zeigen: „Du bist wichtig für mich bis zum letzten Augenblick Deines Lebens.“ Aber das qualvolle Warten auf den Tod bleibt eine Anfechtung und eine ethische Grenzsituation. Was da im Einzelfall zu tun ist, ist immer eine Gewissensentscheidung. Ich finde, das sollten die Abgeordneten bei ihrer Entscheidung berücksichtigen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18409
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