Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Seit 25 Jahren sind Ost- und Westdeutschland wieder vereint. Keiner hat sich damals vorstellen können wie anstrengend dieser Prozess sein würde. Ich weiß noch, wie ich 1995 in Berlin am Potsdamer Platz gestanden bin. Damals habe ich fast nicht ausgehalten, dass dort derart schnell  Einkaufsmeilen regelrecht aus dem Boden gestampft worden sind, die in fast allen europäischen Großstädten gleich aussehen. Was für eine Demonstration kapitalistischer Macht nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der DDR, hab ich gedacht. Für manche war das sicher bitter und erniedrigend. Der Unterschied zwischen Ost und West war damals krass.

Letztes Jahr war ich wieder in Berlin. Die ehemalige Grenze in der Stadt hab ich nicht mehr auf Anhieb gefunden. Offensichtlich ist sie nicht mehr überall. Mich hat beeindruckt, wie kreativ manche Architekten mit der alten Bausubstanz z.B. auch von Plattenbauten umgegangen sind. Und wie sorgfältig viele Häuser saniert wurden. Ich finde, das ist ein schönes Bild für den Prozess der Wiedervereinigung.

Wie gut, dass es den 3. Oktober gibt. Ein Tag, an dem wir inne halten. Uns erinnern, welche Kraft der gewaltlose Widerstand von Menschen haben kann. Uns bewusst machen, wie viel sich seitdem verändert hat. Und, dass der Prozess nicht abgeschlossen ist. Baustellen gibt es noch eine Menge. Ich bin neugierig, wie wir vielleicht auch die Ideen der sozialistischen Politik langfristig nutzen können. Vielleicht finden kluge Menschen auf diesem Weg neue Möglichkeiten, wie unsere Gesellschaft sozial gerechter wird und trotzdem wirtschaftlich bezahlbar bleibt. Das ist auch für Flüchtlinge in unserem Land wünschenswert. Der 3. Oktober ist ein Tag, an dem wir daran denken, was Menschen ausgehalten haben und immer noch aushalten. Z. B. dass im Osten die gleiche Arbeit meistens schlechter bezahlt wird als im Westen.

Und es ist ein Tag um dankbar zu sein, dass wir unbehindert reisen können. Ferien in MeckPom, an der Ostsee oder in der sächsischen Schweiz sind für viele selbstverständlich. Das geschichtliche und kulturelle Erbe in Städten wie Leipzig, Dresden oder Erfurt ist von unschätzbarem Wert.

Der 3. Oktober ist ein Feiertag. Ich werde heute feiern, dass ich viele solidarische Menschen hier kenne.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18394
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