SWR2 Wort zum Tag

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Gerechtigkeit ist ein großes Wort. Gerecht ist, wenn jeder das bekommt, was ihm zusteht, so lautet eine alte philosophische Formulierung. Wenn jeder das Seine bekommt. Das heißt: Gerecht ist der, der korrekt und unparteiisch ist, der keinen bevorzugt und auch keinen benachteiligt. Ein gerechter Staat sorgt genau dafür: Dass niemand benachteiligt wird, dass keiner bevorzugt wird. Konkret aber hat Gerechtigkeit viele Facetten: Gerechtigkeit zeigt sich daran, wie viel einer zum Leben hat, wie der Zugang zur Bildung ist, welche Chancen jemand auf dem Arbeitsmarkt hat, wie das Verhältnis der Generationen aussieht.

Gerechtigkeit scheint allerdings eher der Ausnahmefall als der Normalfall zu sein. Vor kurzem sorgte eine Studie für Aufsehen. In den letzten Jahren, das fanden Forscher heraus, hat sich die Gerechtigkeitslage in Europa verschlechtert. Vor allem für jüngere Menschen. Vor allem im Süden Europas.

Das ist nicht Ordnung, lautet mein erster Reflex, als ich die Studie lese. Und es ist auch nicht mit dem Glauben vereinbar. Schließlich heißt es in der Bibel: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.“ (Mt 5,6) So schlicht und einfach steht es in der Bergpredigt, einer Sammlung von Sprüchen Jesu. Das heißt doch: Ungerechtigkeit darf nicht sein, Gerechtigkeit muss herrschen.

Wer allerdings in Sachen Gerechtigkeit die Bibel zu Rate ziehen will, der muss sich vorsehen. Denn gerecht ist in den Augen der biblischen Autoren jemand, der seine Verpflichtungen erfüllt. Ein Vater, der treu zu seinen Kindern steht, der ist gerecht. Ein Paar, das die alten Eltern versorgt, das ist gerecht. Genauso wird auch von der Gerechtigkeit Gottes gesprochen. Gott ist gerecht, weil er seinen Verpflichtungen nachkommt. Weil er etwa zu seinen Versprechen steht, weil er zu seinem Volk steht. Allerdings weiß die Bibel auch: Dieser gerechte Gott hat den Menschen Regeln für das Zusammenleben gegeben. Etwa die zehn Gebote. Und es ist deshalb gerecht, wenn Menschen, die diesem Gott glauben und vertrauen, auch diesen Regeln nachkommen.

In eine Kurzformel gebracht: Glauben heißt, gerecht zu handeln. Deshalb ist es ein Skandal gerade für Christen, wenn es heute himmelschreiende Ungerechtigkeiten gibt. Und es gehört zum Glauben, sich dagegen einzusetzen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. In der großen Politik, aber auch im täglichen Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18349
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