SWR1 3vor8

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Verteilungskonflikte: Jeden Tag kann man zum Beispiel in der Zeitung lesen, dass wir mehr Flüchtlinge aufnehmen müssten in unserem wohlhabenden Land. Sozialpolitiker werben um Verständnis für die humanitären Aufgaben. Aber es ist heute noch so, wie es immer schon war: Die Wohlhabenden nehmen, was sie kriegen können – und für andere bleibt nicht genug zum Leben. Verteilungskonflikte.
Sogar unter den ersten Christen war das so. In der armen Gemeinde in Jerusalem waren die Eingesessenen besser versorgt als die aus dem Ausland Zugewanderten. Die Eingesessenen hatten vermutlich die besseren Kontakte. Niemand hat dafür gesorgt hat, dass alle genug zum Leben hatten. Ganz besonders betroffen waren allein stehende Frauen, Witwen.
In dieser ersten Christengemeinde in Jerusalem kurz nach dem Tod Jesu haben sie dieses Problem gelöst. Wie, finde ich vorbildlich. Der heutige Predigttext in den evangelischen Gottesdiensten erinnert daran:
Zuerst einmal: Die Gemeindeleiter haben das Problem nicht unter den Teppich gekehrt. Sie haben gesehen: So geht das nicht.
Also haben sie eine Gemeindeversammlung einberufen und 7 weitere unbescholtene Männer gewählt, die für Gerechtigkeit bei der Verteilung von Lebensmitteln sorgen sollten. Und zwar Männer aus der Gruppe der benachteiligten Fremden. Man muss die Benachteiligten beteiligen, ihnen Verantwortung übertragen. Nicht bloß für sie sorgen. Nur so kommt Gerechtigkeit zustande.
„Diakonie“ haben sie damals diesen Dienst für die gerechte Verteilung von Lebensmitteln und Fürsorge genannt. Diakonie sagen wir heute noch, die katholischen Christen sagen „Caritas“, das heißt Barmherzigkeit, Nächstenliebe dazu.
Wichtig für die gelungene Konfliktlösung war aber, glaube ich, noch etwas anderes. Sie haben damals festgehalten: „Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen“ (Apg 6,2). Anscheinend haben sie erfahren:
Wer für Gerechtigkeit sorgen will, der braucht mehr als ein schlechtes Gewissen. Manchmal auch mehr als guten Willen. Weil man leicht müde wird, wenn die Aufgaben so schwierig sind. Wer sich einsetzt, muss sich immer wieder selber ermutigen lassen.
Zum Beispiel von Jesus, der das ja „gelebt“ hat: Wenn alle etwas von dem abgeben, was sie haben, dann reicht es tatsächlich für alle.
Von Gottes Liebe und seinen Möglichkeiten erzählen und für Gerechtigkeit sorgen, gehört zusammen. Das war damals die Lösung im Verteilungskonflikt. Ich glaube: So könnte es heute auch gehen, zum Beispiel wenn Flüchtlinge zu uns kommen.

 

Apg 6, 1-6

 

Die Wahl der sieben Armenpfleger
1 In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung.
2 Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen.
3 Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst.
4 Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben.
5 Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia.
6 Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie.
7 Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18299
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