Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Darf ich Ihnen meinen Gebetsteppich anbieten?“ sagt er zu ihr, der Muslim zur Buddhistin. Herzlich und zuvorkommend. Sie lächelt zurück, nickt. Also rollt er seinen Teppich aus, damit sie nicht auf dem kalten Stein sitzen muss. Wär auch nicht gesund in ihrem Zustand, hochschwanger wie sie ist.
Es war nur eine kleine Szene, die ich beobachtet habe. Aber berührend. Und sie hat mir gezeigt, eigentlich ist es doch leicht. Zwischen den Religionen, zwischen Menschen überhaupt, wenn man aufmerksam, höflich und zuvorkommend miteinander ist. Und man kann es lernen, wenn man will.
Dabei meinen viele ja: ‚Vorsicht Religion. Nichts ist so schwierig wie der friedliche Umgang zwischen religiösen Menschen. Da lauern Überheblichkeit, Probleme, Konflikte.‘
Aber es geht auch anders zwischen den Religionen. Die kleine Szene zwischen dem Muslim und der Buddhistin hat es gezeigt.
Beobachtet habe ich sie bei einer interreligiösen Gruppe in Karlsruhe. Da treffen sich Muslime, Männer und Frauen, Bahai aus dem Iran, Christen von hier und Migranten, Buddhisten aus Japan, Juden, Hindus aus Indien, die Deutsche geworden sind und auch Konfessionslose. Sie wollen nicht, dass Religionen und Weltanschauungen grußlos nebeneinander leben und schon gar nicht gegeneinander. Im Gegenteil: Sie glauben, Religionen sind Kräfte, die das Leben in ihrer Stadt besser machen. Sie können helfen, dass Fremde hier heimisch werden können, ohne sich einzuigeln. Sie glauben, dass Religionen den Frieden voranbringen können.
Und ich bin sicher, sie haben recht. Wenn man so miteinander umzugehen lernt wie die beiden in dieser kleinen Szene:„Darf ich Ihnen meinen Gebetsteppich anbieten?“ Das ist ja nicht selbstverständlich, dass er den so zuvorkommend überlässt. Ein Gebetsteppich ist für einen Muslim etwas Persönliches und auch irgendwie „heilig“.
Vielleicht ist das der Schlüssel, wie die eigene Überzeugung eine Friedenskraft werden kann. Wenn man, was einem heilig ist, den anderen mitteilt und mit anderen teilt. Wenn man sich damit nicht abgrenzt oder dadurch besser sein will als die anderen. Sondern wenn was mir heilig ist, eine Lebenskraft wird, die ich weitergebe.
Was ist mir heilig? Und Ihnen? Teilen wir es auch zuvorkommend?

Wenn ich viele von uns so beobachte, habe ich das Gefühl. Unser „Ich“ ist uns mit das Wichtigste, das Größte. Meine Wohnung, meine Freiheit, meine Rechte. Ich glaube, es ist an der Zeit, dieses „Ich“ wieder für andere zu öffnen. Nur „Ich“ wird unheilig. Heilig werde ich, wenn ich mich mitteile und teile.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18245
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