Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich könnte heulen bei diesen Nachrichten und im selben Moment die Wut kriegen. Hören denn die Krisen und Kriege gar nicht mehr auf?
Manche schalten inzwischen die Nachrichten aus, um ihre Seele zu schützen. Man kann so wenig tun, außer das Heulen oder die Wut zu kriegen. -
Und wenn man nicht wegsieht und weghört?
Muss man seine Seele schützen? Und die der Kinder, die mitkriegen,
wie sehr die Welt mancherorts aus den Fugen ist?
Ich habe vor ein paar Tagen ein kleines Büchlein wieder gefunden. Es ist 20 Jahre alt und erzählt vom Jugoslawienkrieg damals. Der hat damals furchtbares Leid gebracht. Für die Kinder in Bosnien, Serbien und Kroatien.
In diesem Büchlein habe ich auch den Brief des Dichters Tin Kolumbic gefunden. An die Kinder im Krieg. Ein paar Zeilen daraus möchte ich Ihnen vorlesen.

„Liebe Kinder“, beginnt Tin Kolumbic, „Ich schreibe Euch in dieser Zeit, in dem man sich leicht im Nebel des Hasses verirren kann. Habt keine Angst. Wenn es Hass gibt, dann bedeutet das nicht, dass es keine Liebe gibt. Während der Sturm wütet, herrscht irgendwo Ruhe. Der schrecklichste Krieg wird Frieden hervorbringen. Ohne Glauben und Hoffnung wäre es unmöglich zu leben.

Und Kolumbic bittet darum die Kinder:

Es bleibt uns überlassen, den Weg, den wir ins Leben einschlagen wollen, zu wählen und dass uns die Liebe zum Wegweiser wird. Ich sage nicht, dass der Hass versiegen wird, aber es ist sicher, dass die Liebe die Welt beherrschen wird, wenn wir ihr unsere Herzen weit öffnen.“

Mir haben diese Zeilen von Tin Kolumbic in der Seele gut getan. Dass einer damals in Jugoslawien mitten im Krieg an die Kraft der Liebe erinnern konnte. Die wird in Krisen zusammen mit der Wahrheit ja immer als erste unterdrückt.
Was er geschrieben hat, kommt mir sehr aktuell vor. Tin Kolumbic hat Recht behalten. Der Krieg ist damals beendet worden. Trotz Hass. Weil eben auch viele den Weg zur Vernunft und zur Versöhnung wieder gefunden haben.
„Die Liebe hat eine Chance, wenn wir ihr das Herz öffnen.“
Ich will mir das auch in die Seele schreiben, wenn mich bei den Nachrichten das Heulen und berechtigte Wut packen. Vielleicht ist das Beste für die Seele, auch für unsere Kinder: Nicht zu verdrängen, dass auf der Welt schlimme Dinge geschehen, aber ihr und unser Mitgefühl stark machen; nicht wie gebannt auf das Böse starren, sondern Opfern helfen. Ich glaube, es schützt die Seele am besten, wenn man die Kraft zur Liebe stark macht und sie nicht wegdrücken lässt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18244
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