Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Dieser Sommer ist doch eine Katastrophe. So kalt und dieser Regen.“ Ich wollte mich schon einmischen in das Gespräch von zwei Mitfahrerenden in der Straßenbahn und protestieren: „Naja, ‚Katastrophe‘ ist doch wohl was anderes.“
Aber ich hab meine Besserwisserei gerade noch runtergeschluckt.
Weil mir eingefallen ist: Eigentlich ist es doch ein gutes Zeichen, wenn man bei uns schon einen etwas feuchteren Sommer eine „Katastrophe“ nennen kann.
Eigentlich ist es doch ein Zeichen, dass es uns gut geht. Und dass wir im Frieden leben. Wenn es sonst nichts gibt, für das wir das große Wort „Katastrophe“ aufsparen müssen.
Mir ist eingefallen: Andere Menschen kämen wahrscheinlich nicht auf die Idee, unser Wetter eine Katastrophe zu nennen. Weil sie ganz andere „Katastrophen“ ertragen müssen.

Wenn auf einmal ein Partner oder der Sohn ins Krankenhaus muss und man weiß nicht, ob er wieder gesund wird. Oder wenn zwei Jungen von zehn und elf Jahren mit ansehen müssen, wie Vater und Mutter vor ihren Augen im Urlaub ums Leben kommen. Das sind schlimme Katastrophen, die das Leben umstürzen. Oder die Menschen in der Ukraine, die jetzt so lange schon im Bürgerkrieg leben. Oder die Menschen in Westafrika mit dieser Ebolaseuche. Oder die Christen und Jesiden im Irak, die vor diesem IS flüchten müssen und nicht mehr als ihr Leben retten können, wenn überhaupt. Und und und.
So gesehen: Wenn man einen etwas feuchteren Sommer schon „Katastrophe“ nennt. Ist das nicht ein Zeichen dafür wie gut es geht, hierzulande. Ein Zeichen, dass wir Frieden haben und Glück.
So gesehen ist so ein „Katastrophensommer“ schon wieder ein Grund, von Herzen dankbar zu sein. Dankbar dafür wie gesegnet die meisten von uns leben können. Wie viel Gutes vielen von uns gegönnt ist. Soll also, wer es mag, weiterhin einen etwas kühleren Sommer eine Katastrophe nennen. Ich will lieber hoffen und beten, dass wir von wirklichen Katastrophen verschont bleiben mögen.
Aber eins hoffe ich für uns alle:
Dass wir den Maßstab nicht verlieren, was wirkliche Katastrophen sind. Und dass wir die Menschen sehen, die unter ihnen leiden: Den Mann von gegenüber, der zu seiner Frau ins Krankenhaus muss. Er will die Sorge, die er sich macht, verstecken, aber Sie und ich sollten sie spüren.
Dass wir die Flüchtlinge sehen, aus Syrien oder aus dem Irak, die zu uns kommen aus den wirklichen Katastrophen. Hoffentlich tun Sie und ich genug, dass sie spüren, der Friede bei uns, ist auch für sie.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18243
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