Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Die Krankheit ist und bleibt eine „schwierige Freundin“. Kardinal Carlo Martini hat das gesagt. Martini, eine großartige und überzeugende Bischofsgestalt, von denen es in meiner Kirche mehr geben dürfte. Vor zwei Jahren ist er in Mailand mit 85 Jahren gestorben. 

Wie er mit seiner Krankheit – dieser „schwierigen Freundin“ – umgegangen ist, das hat mich tief beeindruckt. * - Mit seiner Krankheit recht umzugehen – das hat Martini entsprechend seinem Leitwort als Bischof versucht: „Adversa diligere – das Widrige lieben“. Ein anspruchsvolles Motto. 

Seine Parkinson-Krankheit hat es ihm immer schwerer gemacht zu gehen. Die Musik – vor allem Mozart – und Texte aus der Bibel haben ihn immer wieder aufgebaut und ihm geholfen, geduldig und tapfer zu bleiben.

Zwei Jahre vor seinem Tod versagt dem wortgewaltigen Theologen und Prediger auch noch die Stimme. Martini – so sein Biograph – klagt nicht. Aber er bittet und fleht, die Stimme wieder zu erlangen. Doch der Himmel antwortet nicht.

Kardinal Martini gibt nicht auf: „Ich bin alt und krank“ – wird er zitiert – „aber ich höre nicht auf, Pläne zu schmieden.“ Bis zum Schluss ist es sein besonderer Wunsch gewesen, aufmerksam für andere da zu sein, und Menschen zu trösten, die zu ihm kommen. Er versucht das mit den Überbleibseln an Wörtern, die er gerade noch stammeln kann. Er, der selber lernt damit umzugehen, dass er nicht mehr sprechen kann und schweigen muss.

Seinen Humor hat Martini sich bis zum Schluss bewahrt. Er hat oft gelächelt, vor allem über sich selbst. „Mit Gott und den Menschen ist es immer dasselbe“ – so der Kardinal – „Gott versucht mühsam, unsere Hand zu halten, und wir Menschen versuchen mühsam, sie wegzuziehen.“ Der Mensch verhält sich wie ein Kind - sagt er - das „Lass mich! Lass mich!“ schreit und versucht, den Arm der Hand des Vaters zu entreißen – in der Meinung, ohne den väterlichen Halt besser zurechtzukommen.

 Menschen wie Martini können Mut machen und Kraft geben, mit der Krankheit – dieser „schwierigen Freundin“ – so gut es geht recht umzugehen und Trost zu finden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Damiano Modena, Carlo Maria Martini – Wenn das Wort verstummt,

    Verlag Neue Stadt, München 2014

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18212
weiterlesen...