SWR1 3vor8

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Erfolg und Misserfolg – diese Stichworte passen zum Erntedank. In den Kirchen wird deshalb heute vielfach aus den Gleichnissen vom Säen und Ernten gelesen. Zum Beispiel aus dem Markusevangelium. Da ist ein Bauer, der sät, und schon kommen die Vögel und picken ihm Körner weg. Ein Teil fällt neben den Acker, zum Teil auf harten Boden, zum Teil zwischen Dornen, und auch aus diesen Körnern wird nichts. Und es fällt Saat auf guten Boden und bringt eine reiche Ernte. Ein realistischer Text zu Erntedank, finde ich. Der Bauer sät – ich gehe davon aus, dass es guter Samen ist und dass er sorgfältig sät. Ein Teil der Saat geht zugrunde, und ein Teil bringt reichlich Früchte. So ist es bis heute, in der Landwirtschaft und im persönlichen Leben.

Das Gleichnis kann helfen, Erntedank zu feiern, mit Freude und auch mit der nötigen Trauer. Erntedank, bei dem wir nicht vergessen, dass bei uns hier und in andern Teilen der Welt Menschen hungern, sogar verhungern – weil Regen ausbleibt, weil Krieg herrscht und weil wir es auf der Welt immer noch nicht schaffen, die Güter gerecht zu verteilen. Erntedank, bei dem wir uns freuen über den Ertrag unserer Arbeit, den Ertrag eines Lebens oder auch nur eines Schuljahrs. Bei dem wir dankbar sind für das Wachsen und Gedeihen, das uns geschenkt wird.

Erntedank, bei dem wir auch trauern dürfen über die Samen, die nicht aufgegangen sind. Die draußen in der Natur und die im eigenen Leben. Erntedank lädt ja auch ein, ins eigene persönliche Leben zu schauen. Was habe ich gesät? Was davon ist gewachsen? Was ist zugrunde gegangen oder kümmerlich geblieben? Und was hat reichlich Frucht getragen: dreißigfach, sechzigfach, hundertfach?

Papst Franziskus hat vor einigen Monaten gesagt: „Auch wenn das Leben einer Person ein Land voller Dornen und Unkraut ist, so ist doch immer ein Platz, auf dem der gute Same wachsen kann. Man muss auf Gott vertrauen.“

Ich glaube, es darf beides da sein heute: die Trauer über das, was nicht wachsen konnte, und die Freude über reiche Ernte draußen und über das Gute und Schöne im eigenen Leben.

Und der Mut, wenn die Zeit dafür gekommen ist, wieder neu auszusäen und wachsen zu lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18196
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