Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Kürzlich war ich bei einem Pilgergottesdienst in einem Marienwallfahrtsort. Nicht in Europa, sondern in Afrika, in Kamerun. Es gibt dort in Marza noch keine lange Tradition im Unterschied zu vergleichbaren Orten in Europa. Eine groß geplante Kirche ist dort erst im Rohbau. Aber die Gläubigen strömen schon aus allen Himmelsrichtungen herbei. Sie nehmen viele Mühen auf sich. Der Gottesdienst hat unter freiem Himmel statt gefunden, denn außer einer kleinen Kapelle steht bisher nur eine einzige große Mauer, die hinter dem Altar. Es ist ein verlorener Ort mitten in der afrikanischen Savanne. Aber was ich dort erlebt habe, grenzt fast an ein Wunder. Es war nicht die Menschenmenge, die mich tief beeindruckt hat. Ich schätze, es waren über 2000. Es waren auch nicht die Farbenpracht der Kleider oder die rhythmischen Gesänge. Und die Predigt war es auch nicht. Ich musste lange warten, bis ich das erlebt habe, was für mich als christlich geprägten Europäer an ein Wunder grenzt: Der Bischof von dort kam kurz zuvor von einer Auslandsreise zurück. Am Ende des Gottesdienstes erzählt er, dass ein von ihm hochgeschätzter Mensch in seiner Abwesenheit gestorben ist. Er ist schockiert. Der plötzliche, unerwartete Tod eines engagierten und angesehenen Bürgermeisters im Nachbarort. Er hält einen kurzen Nachruf auf diese Person. Lobt ihn immer wieder. Er sei weise, umsichtig, gottgefällig gewesen und wie groß doch der Verlust dieses Menschen für die Gesellschaft sei. Dann fordert er die versammelten Gläubigen auf, für diesen Verstorbenen, für seine Seele zu beten. Ganz selbstverständlich und mit großer innerer Anteilnahme sprechen die Pilger gemeinsam für den Bürgermeister ein Vaterunser. Anschließend beten sie, wie es bei Katholiken üblich ist: "Herr, gib ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm. Herr lass ihn ruhen in Frieden."
Was mich so beeindruckt hat und was für mich wie ein Wunder war : der verstorbene Bürgermeister, für den das Vater unser gebetet wurde, war gläubiger und praktizierender Moslem. Das hat der Bischof in seinem Nachruf immer wieder betont und ihn als gutes Beispiel gelobt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18100
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