Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Was lebendig ist, das kann krank werden. Nicht nur der Körper. Auch die Seele. Das erlebe ich oft als Tabu. Ich frage: Warum dürfen wir nicht sagen, dass die Seele krank ist. Warum wird dann nur noch geflüstert? So als dürfte das eigentlich nicht vorkommen. Dabei gibt es immer mehr Menschen in Deutschland, die daran leiden. Sie fühlen sich erschöpft, sie haben keinen Mut für den neuen Tag. Sie sagen innen fühlt es sich leer an und empfinden alles als sinnlos. Wir sagen laut, wenn uns der Rücken weh tut oder wenn wir uns beim Joggen den Fuß vertreten haben. Aber wenn es in der Seele weh tut oder wenn sie nicht mehr kann, dann darf das keiner wissen. Warum das so ist, hat mir ein Mann erklärt, dessen Seele manchmal krank ist: Du bist für immer abgestempelt. Auch wenn du wieder gesund bist, fragen dich die Leute danach oder du merkst, dass sie nach Jahren noch dieses Bild von dir haben. Seele hat mit Menschlichkeit zu tun. Dazu gehören Wärme und Lebendigkeit. Seele, das ist nach biblischem Verständnis die Zentrale des Menschen. Von dort gehen Signale aus, die andere spüren und die anderen gut tun. Dagegen bedeutet seelenlos so etwas wie unbelebt und leer. Ich bin froh um Menschen mit Seele.  Wir brauchen sie ganz dringend. Im Kindergarten für die Kleinen, in der Schule für die Jugendlichen, im Krankenhaus. Und ganz zum Schluss im Pflegeheim. Wenn da einer mit meiner Mutter so liebevoll spricht und so nachsichtig mit dem  schwierigen Nachbarn umgeht. Ich glaube: Da sind Menschen mit einem warmen, lebendigen Innenleben wichtig. Menschen, die mitfühlen. Menschen, die verstehen, die mit anderen  lachen und auch weinen können. Wenn die Seele so wichtig ist für uns und die Gemeinschaft, in der wir leben, dann müssen wir ihr auch zugestehen, dass sie krank werden darf – genau wie dem Körper. Darin ist kein persönlicher Makel zu sehen. Und wie der Körper Pflege braucht und Nahrung und Pausen, so sollen wir auch unserer Seele geben, was ihr gut tut und was sie nährt. Ein gutes Buch, ein offenes Gespräch oder einfach mal einen Spaziergang ganz allein, ohne Worte. Seien wir gut zu ihr, denn sie ist durch nichts zu ersetzen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18022
weiterlesen...