Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Warum warst du nicht bei unserem Fest? hat mich Jusuf, der Junge aus der Nachbarschaft, gefragt. Ich habe ihm erklärt, warum ich nicht zum Bayram-Fest kommen konnte, und versprochen im nächsten Jahr dabei zu sein. Inschallah – so Gott will.
Bei uns am Ort feiern die meist türkischen Muslime das Bayram-Fest in einer großen Halle. Im Gemeindeblatt wird dazu eingeladen. Alle sind willkommen, auch Nicht-Muslime. Es gibt zu essen und zu trinken. Es gibt Tänze und Lieder der Kinder. Dabei ist Raum um miteinander zu reden und einander kennen zu lernen. Das passt gut zum Bayram-Fest, das auf Deutsch Zuckerfest genannt wird. Es wird am Ende der Fastenzeit Ramadan gefeiert und ist eines der wichtigsten Feste der Muslime.
Was aber hat denn das Bayram-Fest mit mir zu tun und warum sollte ich als Christin da hingehen – außer ich mag Fladenbrot oder süße Kuchen. Im Buch meiner Religion, in der Bibel, heißt es, dass Gott den Fremden liebt und dass seine Leute darum auch die Fremden lieben sollen (5. Mose 10,17f). Ich soll also so mit ihnen umgehen, wie ich mir wünsche, dass man mit mir umgeht, wenn ich fremd bin. Ich würde mir wünschen, dass man mich grüßt und dass man mir die Freiheit lässt, meinen Glauben zu leben. Das ist für mich Grund genug, um die Einladung anzunehmen und zum Fest zu gehen. Mit den Menschen zu essen und zu trinken. Die Tänze ihrer Kinder  anzuschauen und dabei mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Da kann es sein, ich entdecke, dass der eine Vater der Busfahrer meiner Kinder ist. Oder ich erkenne eine der drei Frauen, die abends mit Kopftuch joggen gehen. Die sitzt jetzt auf einmal neben mir. Es macht mir Freude, Menschen zu begegnen, die ihre Wurzeln woanders haben. Ich erlebe, dass viel Wärme und Menschlichkeit zwischen uns sein kann, auch wenn ihre Religion anders ist als meine. Und natürlich: Auch unter den Menschen mit Migrationshintergrund sind nicht alle gleich bereit sind, Kontakte zu knüpfen. Genauso wie bei uns auch. Wenn wir vor Ort miteinander gut und das heißt friedlich leben wollen, dann sollten wir uns füreinander interessieren und einander begegnen. Dabei werden wir spüren:  Jeden von uns verbindet sein Glaube mit dem Himmel. Deshalb kann ich die Muslime mit ihrem Glauben tolerieren und achten. Und auch mit ihnen feiern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18020
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